Herbst - Stadt
irgendwie gelungen war, den Schutz seines Anzuges zu durchdringen? Vielleicht war nichts davon, was er zu sehen geglaubt hatte, tatsächlich geschehen? Das war eine geringfügig einleuchtendere Erklärung für die bislang absonderlichen Ereignisse des Tages.
Über der Erde lag unbarmherzige Dunkelheit. Er fragte sich, ob es wohl besser wäre, seinen Aufbruch in der Nacht zu wagen. Möglicherweise würde er sich unter dem Deckmantel der Finsternis sicherer bewegen können. Was auch immer die Leute waren, denen er begegnet war – verseuchte Überlebende, untote Leichen oder Halluzinationen – er war mit Sicherheit stärker und schneller als sie. Zusätzlich hatte er noch den Vorteil, auf das Überleben unter extremsten Bedingungen geschult worden zu sein. Er war sich sicher – oder wenigstens so sicher, wie er es unter diesen Umständen sein konnte – dass er in der Lage sein würde, aus der Stadt zu gelangen. Sein Magen knurrte vor quälendem Hunger. Er hatte in den letzten paar Stunden sein Bestes getan, um den wachsenden Schmerz zu ignorieren, doch er wurde stärker. Das leise Knurren hatte sich inzwischen zu heftigen Krämpfen ausgewachsen, die seine Eingeweide verdrehten und zu allem Übel war seine Blase bis zum Bersten voll, obwohl sein Hals unangenehm trocken war. Er brauchte eine Abwechslung und außer daran zu denken, den Lagerraum zu verlassen, fiel ihm auf die Schnelle nichts ein.
In dem verzweifelten Bemühen, seine Gedanken für eine Zeit lang abzulenken, begann sich Cooper auf den metallenen Regalen umzusehen, die ihn umgaben. Selbst ein Stift und Papier würden schon ausreichen – er könnte sein Testament schreiben oder Bilder kritzeln oder sonst was tun, um sich abzulenken, bis die Zeit, zu gehen, reif war. Mithilfe einer kleinen, aber leistungsstarken Taschenlampe, die an seinen Gürtel geschnallt war, spähte er niedergeschlagen in die Dunkelheit.
Hoch oben auf der gegenüberliegenden Seite konnte er Pappkartons erkennen. Der Großteil der Regale war mit einem Vorrat an elementarem Bürobedarf und Schreibwaren gefüllt, doch von seinem Standort aus konnte er nicht sehen, was sich in diesen Kartons befand. Er wurde durch eine Mischung aus Neugier, purer Langeweile und Frustration dazu angetrieben, nach oben zu klettern und hineinzusehen. Enttäuschenderweise enthielten sie nichts außer Druckerpatronen und Zubehör. Cooper senkte seinen Fuß, um wieder nach unten zu treten, verlor aber sein Gleichgewicht und das Regal (das nicht an der Wand befestigt war, wie er angenommen hatte), kippte ein wenig nach vorne. Er fiel schwer nach unten und landete mit dem Rücken ungeschickt auf dem Deckel eines Kopiergerätes und das dadurch entstandene Krachen schallte unverhältnismäßig laut durch die Stille der Nacht. Er zuckte vor Schmerz und Überraschung zusammen, und als er sich dann von der Maschine herunterrollte, stolperte er auf dem Boden in einen unordentlichen Haufen, fiel und schlug mit dem Kopf gegen noch mehr Regale. Er blieb für einen Augenblick vor Überraschung wie betäubt und schwer atmend liegen, wo er hingefallen war und lauschte, wie die verschiedenen Geräusche plötzlich im gesamten Gebäude widerhallten und die anderen Bewohner des Büros durch sein Krachen und Klirren beunruhigt wurden. Mit erheblicher Mühe stemmte er sich langsam wieder auf die Beine und klopfte sich den Staub ab.
Er konnte einen Luftzug in seinem Gesicht fühlen.
Cooper geriet in verzweifelte Panik und kroch in der Dunkelheit umher, um seine Taschenlampe zu finden. Als er sie anknipste und in den Raum leuchtete, konnte er im Lichtstrahl sehen, dass das Sichtfenster seiner Gesichtsmaske beschädigt war. Er folgte mit seinen Augen dem gewundenen Riss im Visier, der sich von links unten nach rechts oben zog und wo das Schutz- oder Plexiglas oder woraus auch immer die Maske bestand, abgesplittert war und das Herz hämmerte in seiner Brust.
Eine Welle aus Übelkeit schwemmte unvermittelt über den Soldaten hinweg, als ihm klar wurde, welche Folgen das Missgeschick nach sich ziehen würde. Sein Anzug war beschädigt. Er hatte zuvor gesehen, was die Seuche mit Thompson gemacht hatte und er wusste sehr gut, wie schnell und grausam sein Kollege nach der Infektion verendet war. Den Bruchteil einer Sekunde, nachdem ihm die kalte Wirklichkeit seiner Situation bewusst geworden war, geriet er in Panik. Er bedeckte den Splitter im Sichtfenster mit einer Hand und hoffte, das Virus dadurch zu hindern, ins Innere zu
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