Herbst - Stadt
mit Tomaten.«
Er reichte ihr das Essen mit süßsaurem Geschmack und eine Gabel. Während sie immer noch die Tränen zurückschnaufte, begann sie hungrig und ohne weitere Klagen zu essen.
»Ich glaube, die werden zurückkommen«, erklärte Michael zwischen Bissen von dem geschmacklosen Essen.
»Wer wird das?«, fragte Emma.
Er starrte sie ungläubig an. Wie konnte sie das bereits vergessen haben?
»Wer auch immer das war, den ich heute gesehen habe«, seufzte er. »Erinnerst du dich? Verdammte Scheiße, Emma, jeder würde glauben, dass es dir egal ist, in einem Drecksloch wie diesem zu leben und Plastikfraß aus einem Plastiktopf zu essen!«
»Tut mir leid«, sagte sie leise. »Ich bin müde. Hör zu, ich weiß, wie wichtig das für dich ist ...«
»Weißt du das?«, schnappte Michael.
»Ja«, beharrte sie, »natürlich weiß ich das.«
»Hast du nicht daran gedacht, woher diese Leute gekommen sein könnten? Vielleicht hat sich das Ganze gar nicht so weit verbreitet, wie wir dachten. Möglicherweise ist nur unser Land davon betroffen ...«
Er hörte auf zu sprechen, als ihm bewusst wurde, dass Emma ihre Gabel hingelegt hatte und ihn anstarrte.
»Tu das nicht«, sagte sie sanft, streckte ihre Hand über den Tisch aus und drückte seine behutsam. »Lass deine Fantasie bitte nicht mit dir durchgehen. Bleiben wir realistisch, bevor wir nicht mehr wissen, und nehmen wir jeden Tag so hin, wie er kommt. Ich will mir nicht einbilden, dass sich die Dinge ändern, nur um dann zu sehen, dass sich nichts geändert hat und wir wieder im selben verdammten Schlamassel stecken. Verstehst du, was ich damit sagen will?«
»Nein, nicht ganz.«
Sie seufzte und drückte wieder seine Hand.
»Soweit es mich betrifft, bist du das Einzige, was ich noch habe. Du bist der Einzige, auf den ich zählen kann. Meine Familie und meine Freunde sind tot. Ich habe kein Zuhause mehr und besitze nur noch das, was in diesem Wohnmobil ist. Das Einzige, an dem ich mich festhalten kann, bist du und ich bin nicht dazu bereit, dich gehen zu lassen.«
»Das musst du auch nicht. Ich werde nirgendwohin gehen. Ich schlage auch nicht vor, dass wir irgendwas tun sollen, wodurch wir ...«
»Ich will kein Risiko eingehen, Mike. Du weißt, wie sehr ich das alles hier hasse, aber wenn das hier das Beste ist, auf das wir hoffen können, dann muss es reichen. Behalten wir einen klaren Kopf, nehmen wir uns Zeit und gehen wir kein Risiko ein, okay?«
Er blickte über den Tisch in ihre Augen und nickte. Noch mehr als er sich wünschte, dem Pfad zu folgen und zu versuchen, die anderen Überlebenden zu finden, war ihm klar, dass sie Recht hatte. Für einen Augenblick fühlte er sich eigenartig schuldig. Hatten für ihn ihre Beziehung und ihr Bedürfnis nacheinander denselben Stellenwert, wie es für Emma der Fall zu sein schien? Er versuchte sich für den Bruchteil einer Sekunde vorzustellen, wie es ohne sie wäre. Er konnte es nicht. Sie war auch für ihn alles, was er noch hatte.
26
Cooper wachte auf.
Er konnte sich nicht daran erinnern, dass er eingeschlafen war. Er wusste noch, dass er in der vergangenen Nacht am Fenster gesessen, in die Dunkelheit gestarrt und dem Regen zugehört hatte, aber abgesehen davon an gar nichts. Er bemerkte die abgelegte Gesichtsmaske am Boden und Erinnerungen daran, was geschehen war, stürzten auf ihn ein. Er fühlte sich in Ordnung. Er atmete immer noch und hatte auch noch immer einen Puls. Soweit er es beurteilen konnte, war er immer noch in guter Form, gesund und am Leben. Hätte ihn die Seuche nicht schon längst hingerafft, wenn sie ihn tatsächlich befallen hätte?
Der Morgen präsentierte sich trocken und trotz der Tatsache, dass der Himmel dunkel und bewölkt war, verhältnismäßig klar. Der schwere Gestank nach Tod und Verwesung hing wie ein dichter, vepesteter Nebel über der Stadt und verdarb alles mit seinem widerlichen Dunst. Nun, da er seine Atemschutzmaske nicht mehr trug, konnte er den Ausdünstungen nicht entrinnen. Dessen ungeachtet entschied Cooper, dass dies der behandelten und wieder aufbereiteten Luft vorzuziehen war, die er gezwungenermaßen in den letzten zweieinhalb Wochen geatmet hatte. Er erinnerte sich daran, dass er sich in der Mitte einer riesigen Stadt befand und die Luft anderswo mit Sicherheit klarer und angenehmer war. Es gab unzweifelhaft bessere Orte als diesen.
Eine kurze Zeit lang erlaubte er sich, seinen Gedanken ungebremst freien Lauf zu lassen. Instinktiv dachte er darüber
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