Herbst - Zerfall
allem griff, was später von Nutzen sein konnte. Abgesehen von zwei reglosen, skelettierten Körpern, die gemeinsam in einem Bett zusammengerollt lagen, war das Gebäude sauber.
»Wirkt in Ordnung«, rief er, als er über die Treppen zurück nach unten rannte.
»Hier oben ist ein Leichenpaar, das ist alles. Es bewegt sich nichts.« Er blieb einen Augenblick lang stehen, um durch ein kleines Fenster, das direkt an der rechten Seite der Eingangstür lag, zu sehen. Draußen in der Straße schwirrte nun eine unangenehm große Anzahl von Leichen umher und der Großteil davon bewegte sich in Richtung des Hauses, das sie zuvor betreten hatten. Ihre Zahl war nicht so groß, dass sie damit nicht fertig werden könnten, doch sie konnten auf eine Begegnung mit ihnen trotzdem durchaus verzichten. Er fand Jas im Esszimmer vor, wo er Möbel an einer Wand aufstapelte. Er hatte einen langen, rechtwinkeligen Tisch auf seine Seite gezogen und schichtete Stühle darauf. Während ihn Harte beobachtete, riss er die Vorhänge herunter und stopfte sie in die Lücken zwischen den umgekippten hölzernen Tischbeinen.
»Wo ist der Treibstoff, Harte?«, fragte er, während er arbeitete. Harte verschwand wieder und ließ ihn alleine zurück. Jas rannte zur anderen Seite des umgedrehten Tisches hin, suchte nach weiterem Brennbaren und blieb umgehend stehen, als er sie sah. Warum es ihm nicht schon vorhin aufgefallen war, wusste er nicht. In einer Ecke unter dem Erkerfenster lag die zusammengerollte Leiche eines Kindes. Es mochte zwei, höchstenfalls drei Jahre alt gewesen sein, als es gestorben war und einen Augenblick lang war die kleine, schutzlose, verwelkte Schale alles, was er sehen und woran er denken konnte. Es war auf dem Rücken liegend gestorben und hielt die winzige Hand über das Gesicht, als ob es versucht hätte, sich vor dem, was auch immer ihm das Leben genommen hatte, zu verstecken.
»Was ist los?«, fragte Harte, der in den Raum zurückkehrte und ihn über dem Leichnam gebeugt auf dem Teppich stehen sah. Er warf einen Haufen Mäntel, den er im Hausflur zusammengesammelt hatte, zu Boden und begann, sie zwischen Tisch und Stühle zu stopfen. Jas starrte weiterhin auf das Kind. Der kleine Junge schien ungefähr in dem Alter zu sein, in dem sein kleines Mädchen Annia gewesen war, als sie ... Mach das nicht, dachte er bei sich, bitte mach das nicht. Er konnte fühlen, wie der Schmerz über die Familie, die er verloren hatte, in ihm emporquoll. Fast die ganze Zeit über gelang es ihm, diese Gefühle zu unterdrücken, doch wie jeder andere wurde er in manchen Augenblicken davon überwältigt. Er konnte sich einen Zusammenbruch nicht erlauben. Nicht hier, nicht jetzt. Er musste sich selbst aus seiner plötzlichen Lähmung reißen. Er musste alles vergessen, was er verloren hatte und ...
»Jas!«, schnappte Harte. »Komm schon, Kumpel, leg verdammt noch mal einen Zahn zu!«
Noch immer nichts.
Er hatte seine Kinder das letzte Mal lebendig in ihrem Zuhause gesehen, das vom Aussehen her dem Haus, in dem sie sich gerade befanden, ähnelte. Er war nicht mehr dort gewesen, seit er sie verloren hatte. Befanden sie sich immer noch dort und lagen reglos da wie dieses arme kleine Ding, oder bewegten sie sich? War Annia auf den Beinen und torkelte verzweifelt, ziellos und unermüdlich umher? Waren die Kinder alleine oder ...?
Eine notdürftig koordinierte Gestalt knallte gegen das Fenster direkt vor ihm, lenkte ihn ab und brachte ihm eine plötzliche, dankenswerte Erlösung von seinen im zunehmenden Maße dunkler werdenden Gedanken. Er drehte sich um und bemerkte Harte.
»Tut mir leid«, murmelte er. »Ich ...«
»Macht nichts«, sagte Harte rasch und tat sein Bestes, um zu vermeiden, in eine heikle Unterhaltung hineingezogen zu werden. Er öffnete den Treibstoffkanister und begann den Inhalt über den Stapel Möbel zu entleeren. Jas schob sich an ihm vorüber, als der scharfe Benzingeruch die Luft erfüllte und rannte in die Küche zurück. Harte folgte ihm, schob sich rückwärts und schüttete vorsichtig eine Spur aus Benzin hinter sich durch das Haus. Als der Kanister leer war, trat er ihn in die Küche, wo er geräuschvoll auf dem gekachelten Boden klapperte.
»Halt still«, murmelte Jas, als er im Rucksack, den Harte auf dem Rücken trug, nach einer Packung Streichhölzer kramte. Sobald er sie gefunden hatte, drängten sich beide durch die Hintertür nach draußen. Harte blieb nicht stehen, ehe er sich wieder auf der anderen Seite
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