Herbst - Zerfall
schloss, indem er es einer ehemals schwangeren Kreatur mitten in das verrottende Gesicht schmetterte. Ihr aufgeblähter Bauch – der noch mit den zum Teil bereits entwickelten Überresten des toten Kindes gefüllt war – klatschte gegen das Holz wie Fleisch auf das Schneidbrett eines Metzgers.
»Was jetzt?«, fragte Harte.
»Zu Fuß«, antwortete Jas außer Atem. »Wir kämpfen uns noch durch ein paar Gärten durch und machen es dann. Es sollte sie verwirren. Wenn wir erst einmal das Feuer gelegt haben, werden sie den Überblick darüber verlieren, wo wir sind. Dadurch bekommen wir eine bessere Chance, wieder nach draußen zu kommen.«
Harte machte keine Einwände. Er folgte Jas tiefer in den langen Garten, entfernte sich von der Rückseite des Hauses und hielt nach einem Weg Ausschau, durch den sie nach nebenan kommen konnten. Jas entdeckte zwei Drittel den schmalen Rasen hinunter eine zerbrochene Zaunlatte, schob sie fort und kletterte durch das Loch auf die andere Seite hinüber. Harte blieb dicht bei ihm, rannte über den zweiten Garten und blickte prüfend über die Schulter, um sicherzugehen, dass er sich daran erinnern würde, von wo sie aufgebrochen waren.
»Verdammter Mist«, fluchte Jas, als er sich durch eine Lücke in einer Lorbeerhecke in den dritten Garten zwängte und geradewegs in die toten Arme von etwas lief, das, ging man von dem mit Blut und Lack befleckten Overall aus, zu Lebzeiten möglicherweise ein Bauarbeiter gewesen sein mochte. Er war haargenau zur falschen Zeit für Jas auf der richtigen Seite des Gartens gewesen und hatte es geschafft, ihn mit seinen ungeschickten, ausgestreckten Armen zu packen. Er stöhnte vor nervöser Anstrengung, als er den Leichnam von sich stieß, der davonstolperte, dann auf schweren, unkoordinierten Beinen umschwenkte und wieder in seine Richtung torkelte.
»Ich hab’s«, sagte Harte. Jas wich aus, als er eine Forke in das Gesicht der Kreatur hieb, wobei sich einer der Zinken durch eine Wangenseite bis in den Gaumen bohrte, während der andere ein Auge ausstach und sich tief in die Überreste des Gehirns grub.
»Bravo«, brummte Jas, stieg über den Leichnam und ging weiter in Garten Nummer vier. Im Nu gelangte er durch die Gärten fünf, sechs und sieben.
Harte, der nicht annähernd so gut in Form war wie er, hinkte hinter ihm her. Er hatte immer noch damit zu kämpfen, durch Garten sechs zu gelangen, und schrie Jas zu, stehen zu bleiben. »Komm!«, keuchte er, als er über den letzten niedrigen Zaun kletterte. »Das reicht.«
Jas blieb stehen und ruhte sich aus, die Hände in die Hüften gestemmt. Er räusperte sich und spuckte einen Schleimklumpen in einen abgestandenen Fischteich direkt vor sich hinein. Der Auswurf schwamm an der Oberfläche und verursachte im trüben Wasser, das dunkelgrün und vor Algen und Schlick beinahe stofflich war, kaum ein Kräuseln. Er konnte inmitten der Brühe gerade noch ein paar orangefarbene und weiße Fragmente erkennen – das war alles, was von den Goldfischen im Teich übriggeblieben war.
Harte ging bereits auf das Haus zu und bewegte sich um den Rand eines großen kreisförmigen Kindertrampolins herum. Die Mitte des Trampolins hing tief herunter, da sich darin im Lauf der Wochen eine Pfütze Regenwasser angesammelt hatte, die das einst straff gespannte, elastische Gewebe beständig nach unten zog. Er stieg vier niedrige Stufen zu einem von Unkraut überwucherten Innenhof hinauf und hielt an der Hintertür inne, bevor er in das Gebäude eintrat. Jas spähte durch das von Spinnennetzen überzogene Küchenfenster in das Innere.
»Ich kann da drin nichts sehen«, sagte er, ohne sich bewusst zu sein, dass er plötzlich angefangen hatte, zu flüstern. Harte versuchte, die Tür zu öffnen, die steif und schwer zu bewegen war. Nach einem Stoß mit der Schulter schwang sie auf. Er drückte sie vollends auf und trat in das Haus hinein. Das Gebäude war mit dem erstickenden und beunruhigend vertrauten Gestank nach Tod und Verwesung gefüllt. Seine Besorgnis galt nicht der Tatsache, wie viele Leichen sie im Inneren finden würden, sondern lediglich, wie viele sich davon bewegen würden.
Die Geschwindigkeit war entscheidend. Die beiden Männer, die ihr Programm nicht erst erörtern mussten, begannen auf der Stelle zügig voranzuschreiten. Jas überprüfte das Erdgeschoss, während sich Harte durch den oberen Stock arbeitete und, immer dazu bereit, auf jegliche Bewegung zu reagieren, kurz in jedes Zimmer blickte und nach
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