Herbst
Zusammenhänge.
Briefe I (Clara Rilke, 12. 10. 1907), 195f.
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⦠ich muà auf meinen Balkon, um das Grauwerden nicht zu versäumen. Die Brücke leuchtet schon so seltsam hell, und im Wasser ist die sanfte, seidene Bewegung. Denk: daà ich nur auf meinen Balkon treten muÃ, um das alles zu haben, was wir müde von einer der Brücken aus manchmal kaum verlassen konnten, und noch viel mehr: denn von meinem hohen Posten aus ist kein Ende und Absehen. Wie eine graue Intarsie ist der Turm St-Jacques in die östlichen Himmel eingelegt und dahinter das Hôtel de Ville und noch ein Turm, leise, leise. Und nach Westen hin häufen sich die Wipfel der Tuileriengärten, und zu allem hin und von allem her reicht dieser blanke, lange, lebendige FluÃ, in dem alles Grau der Dinge feucht und flüssig wird und der sich anfüllt mit dem Glanz von allem, was glänzt â¦
Briefe I (Clara Rilke, 14. 9. 1905), 111f.
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⦠es ist doch wieder das gleiche Regnen, das ich Dir nun schon so oft beschrieben habe; als hätte der Himmel nur einen Augenblick hell aufgesehen, um gleich darauf wieder weiterzulesen in den gleichmäÃigen Regenzeilen. Aber es vergiÃt sich nicht so leicht, daà unter der trüben Tünche dieses Licht und diese Tiefe ist, die man gestern sah: nun weià man es wenigstens.
Gleich am Morgen hatte ich von Deinem Herbst gelesen, und all die Farben, die Du in den Brief hineingebracht hattest, verwandelten sich in meinem Gefühl zurück und erfüllten mein BewuÃtsein bis an den Rand mit Stärke und Strahlung. Während ich hier gestern den aufgelösten lichten Herbst bewunderte, gingst Du durch jenen andern heimatlichen, der auf rotem Holz gemalt ist, so wie dieser hier auf Seide. Und das eine reicht an uns heran und das andere;
so tief auf den Grund aller Verwandlung sind wir gestellt, wir Wandelbarsten, die mit einer Neigung, alles zu begreifen, herumgehen und die (indem wir es doch nicht fassen) das ÃbergroÃe zur Handlung unseres Herzens machen, damit es uns nicht zerstöre.
Briefe I (Clara Rilke, 13. 10. 1907), 198
Herbst
Tage aus versonnter Seide,
und der Herbst hat keinen HaÃ.
Irgendwem winkt eine Weide,
und die Astern werden blaÃ.
Alles Land ist leis und leer.
Nur Gestalten im entfernten
Feld; die letzten ernsten Ernten
kennen keine Lieder mehr.
Werke III , 581
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Heute war ein schöner, herbstlicher Morgen. Ich ging durch die Tuilerien. Alles, was gegen Osten lag, vor der Sonne, blendete. Das Angeschienene war vom Nebel verhangen wie von einem lichtgrauen Vorhang. Grau im Grauen sonnten sich die Statuen in den noch nicht enthüllten Gärten. Einzelne Blumen in den langen Beeten standen auf und sagten: Rot, mit einer erschrockenen Stimme. Dann kam ein sehr groÃer, schlanker Mann um die Ecke, von den Champs-Elysées her; er trug eine Krücke, aber nicht mehr unter die Schulter geschoben, â er hielt sie vor sich her, leicht, und von Zeit zu Zeit stellte er sie fest und laut auf
wie einen Heroldstab. Er konnte ein Lächeln der Freude nicht unterdrücken und lächelte, an allem vorbei, der Sonne, den Bäumen zu. Sein Schritt war schüchtern wie der eines Kindes, aber ungewöhnlich leicht, voll von Erinnerung an früheres Gehen.
Werke VI (Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge), 722
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Jetzt ist es Herbst bei Dir und Du gehst im Wald, im groÃen Wald, in den man schon so weit hineinsehen kann, im Wind, der die Welt verwandelt. Ich denke an den kleinen Tümpel, links vom dahlemer Weg, der immer ganz groà und einsam wurde um diese Zeit. Ich denke an die Abende, nach denen die Sturmnacht kommt, die alles Welke aus den Bäumen nimmt, und denke an den Sturm selbst, an die Nacht, die fliegt, an den Sternen vorbei in den Morgen hinein. In den leeren, neuen, klaren ausgestürmten Morgen. ⦠Hier aber ändert sich nichts; nur wenige Bäume verwandeln sich, als ob sie gelblich blühten. Und der Lorbeer bleibt.
Andreas-Salomé (3. 11. 1903), 122
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Bis gestern war das klarste Wetter, und das Schauspiel der Abende vollzog sich in ruhiger Geräumigkeit, erst heute komplizierte sich der Himmel, gleich nach Mittag kam es zum Regnen, aber ein kalter verschlossener Wind unterbrach den Regen mitten im Satz, schob die Wolken aufwärts und drängte sie zu Massen über die schon gegen Westen geneigte Sonne, â und nach
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