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Herbst

Herbst

Titel: Herbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Maria Rilke
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Silber sah. Kannen mit etwas schiefgeneigten vollen Silberblumen auf den Deckeln und phantastischen Spiegelbildern in dem geschwundenen Bug.
    Nun ist es kaum glaublich, daß dies der Weg war, der in den Salon d'Automne führte. Ich kam aber doch schließlich auf den bunten Bildermarkt, der, so sehr er sich zu Eindrücken anstrengt, meine innere Stimmung doch nicht verscheuchte. Die alte Dame bestand, und ich fühlte, wie sehr es unter ihrer Würde wäre, zu diesen Bildern zu kommen. Ich dachte, ob ich nicht doch etwas fände, wovon ich ihr erzählen könnte, und fand einen Saal mit Bildern der Berthe Morisot (Manets Schwägerin) und eine Wand mit Sachen der Eva Gonzalès (der Schülerin Manets). Cézanne ist für die alte Dame nicht mehr möglich; aber für uns gilt er und ist rührend und wichtig. Er hat auch (wie Goya) die Wände seines Ateliers in Aix mit Phantasieen ausgemalt (wovon einige Druetsche Photographien da waren).
    Dies vom heutigen Sonntag zu Euch …
    Briefe I (Clara Rilke, 6. 10. 1907), 182-184.
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    Dieser Brief hätte sollen gestern geschrieben sein: denn was wäre natürlicher gewesen, als Ihnen zu schreiben in den Herbst-Nachmittag-Stunden, die ein Jahr über denen liegen, die so sicher in meiner Erinnerung stehn; unverlierbar wie Vergangenes und dabei wie Kommendes, so leicht. Dies werd ich, wie auch mein Leben geht, immer hervorrufen können aus mir: wie der Park sich um mich, den Fahrenden, schloß, und immer, sooft ich will, werd ich innerlich das Rot Ihres Mantels sehen, das mit der Bewegung des Entgegenkommens so seltsam endgültig verbunden war. Und diesen Raum und jenen; das Erkerzimmer, in dem wir, stehend, von der ›Dame à la Licorne‹ sprachen; die Ornamente oben im Treppengestühl, diese Geländeraufsätze, bei denen man sich unwillkürlich vorstellt, daß man sie als Kind entdeckt und sich einbildet, es hänge ein bestimmter Gebrauch damit zusammen; dann Ihr großes Zimmer oben, und der Saal, der tiefe landschaftliche Speisesaal mit den Kredenzen und Kredenzgruppen im Hintergrund. – Mein Gott, wie ist es doch schön um das Sehen und Erleben. Man wird anders davon und immer wieder anders. Man staunt und erkennt mitten im Staunen und lebt, eh mans noch weiß, die Leben von hundert Dingen, tritt in ihre Zusammenhänge, hat ihr Vertrauen und erwidert es: und alles das in einem Augenblick vielleicht. Denn es gibt nichts Nebensächlicheres als die Zeit. – Bin ich nicht wirklich gestern bei Ihnen gewesen? –
    Nádherný (3. 11. 1908), 88f.
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    Es zeigt sich immer wieder, daß die künstlerischen Ereignisse sich, weit unter der Oberfläche des momentanen Lebens, in einer gleichsam zeitlosen Tiefe vollziehen. Während Mackensen noch damit beschäftigt war, Studien zu
malen, die ihm schwer fielen und ihn bedrückten, waren seine Kräfte tiefinnerlich schon um ein werdendes Bild versammelt, das er dann im Herbst in verhältnismäßig kurzer Zeit heruntermalte. Es war schon fertig in ihm, als er vor die Leinwand trat. Es hatte vielleicht schon im Frühjahr, als Idee, irgendwie in ihm geblüht, inzwischen war der Sommer vergangen und nun, im Herbst, fiel es von ihm ab, reif, schwer, ausgewachsen, in Einklang mit der ganzen Natur und mit allen Bäumen dieses Herbstes. Man kann dieses Bild nicht besser kennzeichnen, als es durch diese Übereinstimmung mit dem Gange des Jahres geschieht. Es gleicht einer nordischen Frucht, einem Herbstapfel mit gesunder, starker, farbiger Schale, dessen Duft schon seinen Geschmack ahnen läßt: eine herbe Saftigkeit und zugleich etwas von jener verhaltenen Süße, wie sie gewisse dunkelrote Rosen bei Einbruch der Nacht ausströmen.
    Werke V , 47f.
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    â€¦ es ist immerzu, als wäre man in einem nassen Schwamm, den jemand schwenkt. Wie seltsam das doch wirken kann, so aus der Ordnung herausgehoben zu sein. Die Jahreszeiten sind doch sonst grade so schön und hilfreich durch Zusammenhang und Kontrast, man kann sich halten an ihnen; diesmal aber wars unvermittelt, alles was einsetzte, als blätterte man in einer Enzyklopädie plötzlich zu einem anderen Buchstaben und läse, nach etwas ganz anderem, unter Th oder Y weiter.
    Freilich, wäre man so arbeitssicher, wie man sein müßte, so würde das, selbst in Zusammenwirkung mit dem Schnupfen, einen nicht aus der Fassung

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