Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herbstfraß

Herbstfraß

Titel: Herbstfraß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Busch
Vom Netzwerk:
unterhalte. Ich durfte nicht arbeiten, musste exakt die Dinge kaufen, die er auf den Einkaufszettel geschrieben hatte, erhielt das Geld zugeteilt … Total entmündigt hat er mich damals. Irgendwann kam ich mir nur noch wie eine Maschine vor, die er auf Knopfdruck einschaltet und die dann zu funktionieren hatte. Rainer genoss es, mich in jeder Form zu quälen.“
    „Hat er Sie geschlagen?“, fragt Bo leise.
    Frau Lüders schüttelt zögernd den Kopf.
    „Entschuldigen Sie bitte, Frau Lüders. Das allein ist bestimmt schon ziemlich furchtbar für Sie gewesen, aber Sie müssen uns alles erzählen. Warum diese Härtefallscheidung?“, erkundige ich mich.
    „Weshalb wollen Sie das so genau wissen? Ich habe versucht, das alles zu vergessen und da kommen Sie daher spaziert und verlangen von mir, diese Erinnerungen auszugraben. Sogar eine Therapie habe ich durchstehen müssen, um … um mich von diesem boshaften Menschen zu lösen.“
    „Frau Lüders, wir glauben nicht, dass sein Stiefsohn ausgerissen ist.“
    Sie erstarrt und schaut mich erschrocken an, als sie begreift, dass wir ihren Ex-Mann als Entführungstäter im Verdacht haben.
    „Jedes Kind würde ausreißen, wenn es täglich Rainer ausgesetzt ist“, sagt sie ausweichend.
    „Frau Lüders, der Junge ist siebzehn und seit sechs Tagen spurlos verschwunden. Da gibt es eine Mutter, die vor Sorge um ihn beinahe vergeht.“
    „Sie glauben ernsthaft, Rainer hat ihm etwas angetan?“
    „Sagen Sie es uns.“ Bittend schaut Bo sie an. Frau Lüders seufzt und massiert sich kurz die Schläfen, als ob sie gerade Kopfschmerzen bekommt.
    „Rainer stand damals auf Fesselspiele, auf völlige Unterwürfigkeit und er genoss es, wenn er mich erniedrigen konnte. Manchmal hat er mich stundenlang ans Bett oder im Keller an die Heizung gefesselt. Rollenspiele nannte er das. Die Spieldauer steigerte er nach einer Weile bis zu einem ganzen Tag. Zwischendurch ließ er mich ins Bad oder in die Küche, damit ich brave Ehefrau ihm sein Essen kochen und ihn bedienen konnte. Ich wollte seine Rollenspiele nicht, obwohl er darauf geachtet hat, dass ich weder Krämpfe noch Schmerzen erlitt. Aber ich fand diese Spiele äußerst entwürdigend. Nach meiner Meinung hat er mich allerdings nie gefragt. Ich erklärte damals dem Richter, dass ich von Rainers sexuellen Vorlieben vor der Ehe nichts geahnt habe und wie sehr sie mich abstoßen. Der Richter hat sich unserer kleinen Tochter wegen zu einer Härtefallscheidung erweichen lassen. Angezeigt habe ich ihn nicht. Er hätte ohnehin behauptet, es wäre alles einvernehmlich gewesen. Und meiner Tochter wollte ich einen solchen Prozess nicht zumuten. Die begriff nicht einmal so richtig, warum der Papa nicht mehr bei uns wohnt. Wenn gemeinsame Freunde oder Kollegen nach dem Grund für unsere Scheidung fragten, hat Rainer nie die Wahrheit gesagt. Er hatte Angst, dass es seiner Karriere schadet. Ich dagegen habe geschwiegen, weil ich damals die Unterhaltszahlungen brauchte.“
    „Kennen Sie seine jetzige Ehefrau? Glauben Sie, dass er seinen Fetisch mit ihr auslebt?“
    „Ich kenne sie bloß flüchtig. Und ich würde sie nicht so einschätzen, als würde sie Rainers Neigungen teilen. Ich nehme eher an, dass er seine Familie, was seine besonderen sexuellen Praktiken angeht, außen vor lässt. Noch eine Frau, die ihm davonläuft und ihn womöglich anzeigt, würde ihm im Hinblick auf das Architektenbüro sicherlich das Genick brechen.“
    „Könnten Sie sich vorstellen, dass er Ingo entführt hat?“, frage ich sie direkt heraus.
    Frau Lüders atmet tief ein. „Seinen eigenen Stiefsohn? Ich weiß es nicht. Wirklich nicht. Rainer ist meines Erachtens verdorben. Ob er soweit gehen würde, seinen Stiefsohn zu entführen? Vielleicht … Ja, möglich wäre es. Falls sich seine perversen Fantasien gesteigert haben. Zudem ist Rainer ein Mensch, der seine Ideen unbedingt durchsetzen muss.“
    Bo und ich wechseln einen Blick miteinander. Wir haben genug gehört und erheben uns.
    „Sie haben uns sehr geholfen“, erklärt Bo und lächelt ihr freundlich zu. „Dafür möchten wir uns bedanken. Wenn wir dadurch unangenehme Erinnerungen geweckt haben …“
    „Finden Sie den Jungen“, unterbricht sie Bo. „Ich habe selbst ein Kind und ich würde verrückt werden, sollte meine Tochter verschwunden sein. Und wenn Rainer tatsächlich der Täter ist, dann sorgen sie dafür, dass seine Frau ihm nicht jeden Tag in die Augen sehen muss, während sie auf die Rückkehr

Weitere Kostenlose Bücher