Herbstfraß
S/M-Möbel oder vielleicht stehen Sie auf Elektrosex. Ihr Freund scheint sich für die Klinik zu interessieren. Das kann man wunderbar miteinander kombinieren.“
Bei der Erwähnung des Elektrosex ’ treten Bos Kiefermuskeln deutlich hervor und plötzlich bekomme ich einen Hauch von Ahnung, wieso er sich in diesem Laden so unwohl fühlt. Daran hatte ich gar nicht gedacht. Von Elektroschocks hat Bo garantiert für den Rest seines Lebens genug.
„Wir suchen einen älteren Herrn mit grauen Haaren und goldener Nickelbrille. Möglicherweise hat er Fesselspielzeug gekauft“, sage ich schnell, denn Bo sieht aus, als wollte er augenblicklich auf dem Absatz kehrt machen.
„Und Nadeln, Klemmen, Peitschen, Handfesseln. Ich glaube, ich weiß, wen Sie meinen. Sehr elegant gekleidet. Er wirkte eher spießig, suchte sich allerdings gezielt Artikel aus dem S/M-Bereich aus. Wie heißt es so schön: Stille Wasser sind tief.“
„Kennen Sie seinen Namen?“, fragt Bo.
„Er hat mit seiner Kreditkarte bezahlt, da taucht sein Name bestimmt auf dem Beleg auf. Aber wir sind sehr diskret.“
Nahezu synchron ziehen Bo und ich unsere Ausweise hervor. Der Latexfreund studiert die Ausweise sorgfältig und kommentiert sie mit einem beeindruckten: „Oha.“
Dann zieht er unter dem Ladentisch einen Karton hervor und beginnt darin zu kramen.
„Irgendwo wird der Beleg bestimmt sein.“
Ungeduldig beugt sich Bo vor. So wie er aussieht, hätte er am liebsten selbst in dem Karton herumgewühlt. Während der Kassierer kramt, untersuche ich die Angebote auf dem Ladentisch näher. Eine Geschenkbox enthält plüschige Handschellen, Massageöl, einen Dildo, Gleitgel und eine Erotik-DVD. Daneben stehen einige Vibratoren in grellen Farben. Auf Knopfdruck ertönt ein leises Surren.
„Robin!“ Bo pflückt mir den apfelgrünen Vibrator aus der Hand und stellt ihn zurück.
„Die Feeldoe sind heute im Angebot“, informiert uns der Kassierer, ohne von dem Karton aufzuschauen und ruft gleich darauf: „Da habe ich ihn ja.“
„Wir brauchen den Namen.“ Aufgeregt zieht ihm Bo den Beleg aus den Fingern und studiert ihn kurz, ehe er ihn mir unter die Nase hält.
„Nolte“, sagt er bloß und knallt den Beleg auf den Ladentisch.
„Komm, Dot. Hurtig!“ Beinahe im Laufschritt eilt Bo auf die Tür zu.
„Hey“, ertönt es hinter uns, und als ich mich umdrehe, fange ich gerade noch rechtzeitig eine Verpackung auf.
„Ein Geschenk des Hauses. Sie sehen so aus, als könnten Sie damit etwas anfangen. Und schauen Sie ruhig wieder rein.“
„Danke. Sehr freundlich.“ Ich winke kurz und haste Bo hinterher.
Die kalte Luft draußen trifft mich wie ein Schlag und ich beeile mich, in meinem BMW zu steigen.
„Was hast du da?“, fragt Bo neugierig und startet den Wagen, während ich in meinen Taschen nach einer weiteren Halspastille suche.
„Flutschi.“
„Flutschi?“
Ich werfe ihm einen bezeichnenden Blick zu.
„Na, wenigstens nichts das brummt.“
„Wusstest du, dass dieses Gleitgel seit den 70ern auf dem Markt ist?“
„In diesem Fall hoffe ich, dass dein Gratisartikel nicht schon vierzig Jahre alt ist.“
„Das können wir später gerne gemeinsam herausfinden.“
Bo nuschelt etwas Unverständliches. Allerdings entdecke ich in seinen Mundwinkeln ein kleines Lächeln.
12:17 Uhr
Zurück in unserem Büro, werfe ich sofort meinen Rechner an.
„Wie sieht es aus, Jungs?“, fragt uns Louisa. Sie hat frischen Kaffee gekocht. Das ganze Büro duftet danach.
„Heiße Spur“, sagt Bo. „Furchtbar heiße Spur.“
„Braucht ihr mich? Sonst würde ich gerne meine Mittagspause machen.“
„Nein, nein. Geh ruhig“, antworte ich ihr und google nach dem Architektenbüro.
„Übrigens holt mich Oliver um 16:00 Uhr ab. Ist das …“
„Ich habe seine Handynummer.“
„Wieso hast du Olivers …“
„Dann finde heraus, wo er sich so herumtreibt.“ Auffordernd stößt mich Bo an. Das ist unnötig, denn mein Jagdinstinkt ist längst geweckt.
„Hallo? Hört mir überhaupt jemand zu?“, fragt Louisa hinter uns.
„Ja, danke. Dir auch viel Spaß“, sagen wir im Chor, ohne die Augen vom Monitor zu wenden.
„Männer!“, höre ich Louisa schnaufen, bevor die Tür klappt.
„Bo, hol mir eine Stulle, ja? Das hier dauert einen Moment.“
„Eine Stulle?“
„Genau, mir knurrt der Magen. Und wenn ich hungrig bin, kann ich nicht arbeiten.“
„Du machst doch immer das Essen.“
„Bo, ich verlange kein
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