Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herbstfraß

Herbstfraß

Titel: Herbstfraß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Busch
Vom Netzwerk:
Bettdecke geben … Meine Finger sind inzwischen ziemlich gefühllos. Ich bibbere am ganzen Leib und versuche mich enger an Bo zu drängen. Der scheint zu merken, wie es um mich steht, weil er mich auf einmal mit seiner Schulter zu schubsen beginnt. Ich folge diesen eindringlichen Schubsern, bis ich direkt an der Wand hocke. Bo ist mir gefolgt und setzt sein merkwürdiges Drängeln fort. Es dauert einen Moment, bis ich begreife, dass ich mich auf ihn rollen soll. Mit einiger Mühe gelingt es mir, mich auf ihn zu schieben und mich an seine weiche Holzfällerjacke zu schmiegen. Unter mir ächzt Bo leicht. Sonderlich bequem ist es nicht, aber seine Nähe schenkt mir Trost und so kann er mir zumindest ein bisschen Wärme spenden. Wenn ich allerdings an die vor uns liegende Nacht denke, wird mir total schlecht.
     
     
    21:14 Uhr
    Während er zu Hause vor dem Fernseher sitzt und sich das Reportagemagazin auf ZDF ansieht, – obwohl er nicht wirklich hinhört – muss er an den Jungen denken. Ein wenig verärgert ist er schon, dass Ingo so hinterhältig aus dem Spiel ausgestiegen ist. Sein jugendlicher, frischer Körper hatte es ihm richtig angetan und er hatte noch so viele Pläne mit seinem Stiefsohn. Ihn in den Bunker zu bringen und zu seinem Spiel einzuladen, war die beste Idee seit Langem gewesen. Ingo sollte durch das Master Cutlery aus dem Spiel ausscheiden. Er hatte schon ganz genaue Vorstellungen über das Wie gehabt. Aber nein, Ingo musste die Regeln brechen – seine Regeln! Er schnauft verstimmt. Auf Ingo war eben nie Verlass. Zu Hause hatte es ebenfalls ständig Theater mit ihm gegeben.
    Zumindest hat er für Ingo Ersatzspieler bekommen. Die beiden Detektive waren ihm von Anfang an ein Dorn im Auge gewesen. Besonders dieser Amundsen, der sich ständig anmaßend und respektlos hat aufführen müssen. Unwillkürlich muss er schmunzeln, als er sich daran erinnert, wie Amundsen ihn voller Wut anstarrte, als er seinem Kollegen das Master Cutlery an die Gurgel hielt. Dagegen war Berger sofort auf das Spiel angesprungen und hatte eine perfekte Eröffnung dargeboten. Wieso gehen wir nicht alle wieder hinauf in die Sonne und reden? Beinahe wäre ihm ein begeistertes Kichern entschlüpft. Er kann es gerade so unterdrücken. Was soll Antonia denn auch sagen, wenn er bei der Frage ‚ Was bedeutet Armut für Deutschland?‘ zu lachen beginnt? Seitdem Ingo in sein Spielparadies eingezogen ist, sitzt sie praktisch ununterbrochen vor der Glotze. Er schüttelt den Kopf. Von ihm aus soll sie fernsehen, bis ihr die Augen tränen. Versonnen betrachtet er die Visitenkarte der beiden Detektive, die er vor Antonia verborgen in den Händen hält. Solange sie die Reportage verfolgt, kann er sich in aller Ruhe überlegen, was er morgen mit dem Berger anstellen würde. Robin, korrigiert er sich gleich darauf. Mitspieler kann man getrost mit dem Vornamen ansprechen. Und Robin ist bereits ein vollwertiger Mitspieler. Allein seine Reaktion auf die ausgeschiedenen Vorgänger war schlichtweg gelungen. Für einen Moment hat er geglaubt, dass sich Robin übergeben würde. Oder dieses herzergreifende Betteln, als er ihm die Augen verbunden hat … Robin. Er lächelt selig. Morgen würde er zunächst das wichtige Meeting mit dem Neukunden in seinem Büro wahrnehmen und hinterher alle weiteren Termine absagen. Anschließend kann er anfangen mit Robin zu spielen. Und Amundsen darf zusehen, wie sie sich miteinander vergnügen. Das wird ein Spaß …
     
     
    23:39 Uhr
    Da ist ein Raunen. Es ist leise, aber deutlich zu vernehmen. Regungslos und unbequem auf Bo gebettet, spitze ich angespannt die Ohren. Ein Steinchen knirscht, als ob es unter einem Schuhabsatz auf dem Betonboden zerrieben wird. Kommt der Nolte etwa zurückgeschlichen? Hätte nicht zuvor die Tür quietschen müssen? Ich halte den Atem an und lausche. Nichts. Bis auf das unheimliche Raunen. Beinahe kann ich einzelne Wörter in dem kaum wahrnehmbaren Murmeln ausmachen. Bo, der standhaft unter mir liegt, um mich so gut es geht zu wärmen, reagiert zu meiner Verwunderung überhaupt nicht auf die unheimlichen Töne. Er muss sie doch ebenfalls hören. Erst als ich wegen des ganzen Elends stöhne, gibt er ein beruhigendes Brummen von sich.
    In meiner Schussverletzung pocht schmerzlich der Puls und mein kratziger Hals peinigt mich von Minute zu Minute mehr. Aus der Richtung, in der die Leichen liegen, ertönt das sachte Trippeln von Nagerfüßchen und das hohe Pfeifen pelziger Besucher.

Weitere Kostenlose Bücher