Herbstmilch
Fangen der Maulwürfe brachte Geld ein. Sie wurden gehäutet und die Fellchen zum Trocknen auf Brettchen gespannt. Die Sommerpelze waren nichts wert und brachten höchstens einen Pfennig, aber die Winterpelze brachten schon fünf bis zehn Pfennige.
Einmal kam auch der Herr Pfarrer des Wegs. Er hatte einen großen Hund dabei. Der Pfarrer ging aber bei uns nicht ins Haus, sondern zum Häuschen, weil er ein Bedürfnis hatte. Den Hund band er am Türchen an. Ich sagte zu meinen Brüdern, was macht der Hochwürdige denn da drinnen, wenn er müde ist, kann er sich doch in der Stube ausruhen. Ich meinte, ein so heiliger Mann muß doch so was nicht. Da lachten die Buben unbändig und voller Spott, und ich war wieder ein Stück aufgeklärt.
Wie die Buben dann größer waren, gingen sie mitsammen Rauhnachtsingen, damals gingen nur die Ärmsten. Da haben die Bäuerinnen 100 und mehr Küchl gebacken zum Verschenken. Meine Geschwister haben oft den ganzen Tischladen voll heimgebracht. Wenn’s dann manchmal bei einer Bäuerin zu-wenig wurden, ging die schnell ins nächste Haus und hat selber noch einige heimgebracht für die Sänger. Unsere Nachbarin hat weit und breit die größten und schönsten Küchl gehabt, ganz lange, ausgezogene. Sie hat am Ofen gestanden, unermüdlich, ein Kopftuch auf, von dem seitlich zwei Zipfel davongestanden sind. Sie war freundlich, aber gelacht hat sie fast nie.
Ihr Hof war groß, mit viel Wald und Vermögen, das sie fest zusammenhielt. Dienstboten gab es auch, die Tag und Nacht überwacht wurden. Für die Schulkinder, die ihre Kinder abgeholt haben, hat sie schon am Morgen etwas gegeben, entweder ein Butterbrot oder einen Apfel. Einen Obstgarten hatte sie, groß wie ein Wald. Auf diesem Hof hat noch eine alte blinde Frau gewohnt. Sie hat im Haus geholfen und hat ihre Arbeit genauso gemacht, als ob sie sehen würde. Freilich durfte nichts im Weg stehen oder liegen, sonst ist sie drübergefallen.
Wenn die Bittage waren, gingen die Leute in einer Prozession mit einer Kirchenfahne voran zu einer Kirche der anderen Pfarrei durch die Felder und beteten um eine gute Ernte. Von jedem Haus war jemand dabei, das gehörte sich so. Die Schulkinder mit dem Lehrer voraus, es war ein langer Zug. Bei der anderen Kirche wurde dann das Schaueramt gelesen, und nachher war eine längere Pause bis zur Rückkehr. Wenn wir dann von Neuhofen nach Schönau gingen, das war ja beinah Ausland, kamen in der Pause im Handumdrehen die schönsten Raufereien mit den dortigen Dorfbuben in Gang, und meine Brüder waren da fest dabei, der Hans und der Michl voran. Die Neuhofener hielten sich tapfer, und das war die Hauptsache. Diese Raufereien wurden auch unter den Burschen auf dem Tanzboden ausgetragen. Da hätte ja jeder Auswärtige daherkommen können und ein Mädchen abspenstig machen können, wenn da nicht die rechte Ordnung eingehalten worden wäre! Damals kam es oft zu Messerstechereien, jedes Mannsbild trug damals noch ein feststehendes Messer mit sich. Bei so einer Rauferei am Kammerfenster ist einer durch einen Stich ins Herz ums Leben gekommen.
Meine Brüder nun, die waren da schon ein wenig abgehärtet, denn der Lehrer hatte ein besonderes Auge auf sie. Sie wurden immer zusammen mit ihren Freunden in der Schule aufgerufen, und wenn sie die rechte Antwort nicht wußten, was ja meistens war, dann sagte der Lehrer nur, Traunspurger, Traunspurger, das waren meine Brüder, und Vilstaler, Niedermeier, und die vier bekamen ihre Tatzen.
Auch ich mußte einmal vor den Kindern heraustreten. Der Lehrer erklärte die Schädelformen der verschiedenen Rassen, und da gab es nun die nordische, die ostische, und ich war das Beispiel für die dinarische Rasse, da konnten sich die Kinder vor Lachen nicht halten, und ich war »die Narrische« geworden.
Spitznamen waren bei uns in der Gemeinde ohnehin recht der Brauch. Ein Mann hatte eine Kellnerin aus der Stadt geheiratet, da kam das Gespräch einmal auf den Kuckuck. Diese Frau hatte nun ein wenig mehr Wissen als die Hiesigen und belehrte die anderen, daß das Kuckucksweibchen nur ein Ei legt. Fortan war sie ihr Leben lang das Kuckucksweibchen, nur mit dem Unterschied, daß sie zwei Eier gelegt hat, ihre beiden Söhne, die sind im Krieg alle zwei gefallen.
*
Damals waren viele Bettler unterwegs, es war ja eine große Arbeitslosigkeit. Der Vater legte in einen Zinndeckel etwa zehn bis fünfzehn einzelne Pfennige. Die Bettelmänner klopften an das mittlere Stubenfenster, und jeder
Weitere Kostenlose Bücher