Herbstmilch
heimging, bekam er einen Laib Brot und einige gebackene Küchl mit nach Hause. Jeden Sonntag mußte der Bub wieder zu uns kommen, damit die Wäsche gewaschen und geflickt wurde. Das war meine Arbeit.
Mit anfangs einer Mark und dann einer Mark fünfzig konnte Michl sich lange nichts Neues kaufen. Anfangs wurde er auch ganz rauh behandelt, weil er noch zuwenig leisten konnte. Wie im Frühjahr das erste Gras gewachsen ist, beim Grasmähen, sagte der Bauer, stell dich besser in die Mahd, hol mit der Sense besser aus, sonst kommst du ganz heraus, du packst ja viel zuwenig. Immer gab es was zu granteln, und das erste Jahr war schlecht. Keine Wäsche, kein Fahrrad, keine Schuhe – alles fehlte.
Den anderen Brüdern ist es genauso gegangen. In den Knechtkammern hat die Wand geglitzert vom Rauhreif, die Betten waren selten bezogen, die Oberbetten waren in der Nacht wie gefroren. Gummistiefel gab es noch nicht. Wenn einer mehr Geld hatte, gab es sogenannte Mannheimer. Die waren aus Sauleder, und die Sohle war aus Holz.
Im Winter mußten viele mit Holzschuhen in den Wald gehen. Freilich hatte man die Socken am Boden mit Manchesterflecken besetzt, aber an der Hose hingen Eiszapfen und an den Fersen auch. Die Knechte gingen schon um halb sieben jeden Tag in den Wald, um halb fünf war’s Zeit zum Aufstehen. Wenn die Stallarbeit fertig war, mußten sie schauen, daß sie hinauskamen. Mit langen Holzsägen, schweren Äxten und allen Werkzeugen waren sie ausgerüstet. Motorsägen gab es noch keine. Wenn mit der Handsäge ein Baum gefällt wurde, hörte man kaum etwas, bevor der Baum fiel. Wenn dann einige Bäume gefallen und die Äste abgehauen waren, mußten auch die Mägde hinaus, um Wied auf den Haufen zusammenzuziehen. Wenn im Wald die Arbeit fertig war, wurden Brennholz und Wied mit Pferden oder Ochsen, manchmal auch mit Kühen zum Hof heimgefahren. Das Ganze wurde dann von den Dienstboten kleingemacht. Traktoren gab es noch nicht, auch keine Kreissägen. Die Mägde haben Reisig gebündelt. Die Holzscheite wurden von Männern kleingehackt und dann von den Weibsleuten zum Trocknen aufgerichtet. Da ging es ganz genau zu, und wenn einmal ein Holzstoß umgefallen ist, mußte man sich schämen, da hieß es gleich, es gibt eine Kindstauf.
Es gab gute Bauern, aber mehr wirkliche Saubauern! Die guten sahen die Dienstboten auch als Menschen an und ließen sie als Menschen leben. Die anderen schickten die Knechte statt zur Brotzeit zum Maulwurffangen hinaus, und wenn beim Essen noch einer eine Nudel nehmen wollte, rückte der Bauer mit dem Hintern hin und her. Da mußten sich’s die Dienstboten schon ausmachen: Wenn ich noch was herausnehme, dann iß langsam, sonst steht der Bauer auf und geht! Ein bißchen lustig sein war auch nicht erlaubt, die Leute sollten ja nur bei der Arbeit müde werden.
Die Mägde durften nur abends und sonntags Wäsche waschen und flicken. Sie konnten aber nur bei guten Bauern warmes Wasser nehmen, bei den andern mußten sie mit kaltem Wasser waschen. Und wenn dann abends eine zu lang geflickt hat, mußte sie sich eigene Kerzen kaufen. Das war bei fast allen Bauern so. Sogar fürs Milchseihtuch durfte die Stallmagd kein warmes Wasser holen.
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Eines Tages fiel mir auf, daß ich auf der Brust zwei Beulen bekam. Ich erschrak sehr, getraute mich aber nicht zu fragen, um nicht ausgelacht zu werden. Ich wußte nicht, wie das kam. Die Beulen wurden von Woche zu Woche größer. Immer wenn ich mich gewaschen habe, waren sie schon wieder größer geworden. Ich war sehr beunruhigt. Ich drückte sie, sie waren ganz weich. Ich dachte, da ist Luft drinnen. So ging ich zur Nähschatulle, nahm eine dünne Nadel, stach hinein, damit die Luft herauskommt. Aber das tat weh. Ich war froh, daß die Beulen wenigstens nicht weh taten, und dachte, der Himmelvater wird schon wissen, warum ich die habe. Ich wünschte mir, eine andere Frau zu sehen, ob die wohl auch so was hat. Da machte ich nun die Augen auf und sah eine Frau, die hatte noch viel größere. Das beruhigte mich etwas.
Einmal brachte mein Vater Eier zu der Familie eines Oberstudiendirektors. Dessen Frau gab nun dem Vater eine Menge alter, oft auch zerrissener Wäsche mit. Aber die konnte ich mir ja flicken. So kam ich zu meinen ersten Hosen, der Zwickel war nicht mehr drinnen, ich nähte eben einen rein. Und die Kopfkissen waren, als ich sie geflickt hatte, unsere schönsten. Oft kamen Leute zu uns, die mich gelobt haben, weil alles so aufgeräumt war, besser
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