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Herbstmilch

Herbstmilch

Titel: Herbstmilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Wimschneider
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bekam einen Pfennig, den die kleinen Kinder hinausreichen durften. Manchmal wollte auch einer arbeiten, aber der Vater konnte nichts bezahlen und machte seine Arbeit darum selber. Fünfzig Pfennig hätte der Bettler nur verlangt fürs Strohschneiden. Der Vater machte das mit der Schneidebank. An ihr war ein langes Messer angebracht, das hob der Vater an, schob das Futter ein Stück nach vorn und drückte das Messer wieder nieder, wobei er mit dem Fuß diesen Vorgang unterstützte. Jedes Mal quietschte es, und wir Kinder hatten unsere Freude daran.
    Es kam auch einmal ein Bettelmann, den haben wir gefürchtet. Er wollte uns eine Sonnenuhr zeigen, da gingen wir Kinder alle mit. Er konnte aber nichts herzeigen und wollte dann die Buben wegschicken, um mit uns zwei Mädchen allein zu sein. Da liefen wir lieber ins Haus, machten die Türe zu und schauten verstohlen beim Küchenfenster hinaus. Der Mann saß beim großen Birnbaum im Gras, hatte die Beine gespreizt, und seine Hose klaffte auseinander. Sein Zeug war heraußen und sehr groß, und mit der Hand faßte er immer wieder hin.
    Wir schimpften über den Hammel. Nach einiger Zeit nahm er seinen Rucksack wieder auf und ging fort. Dem Vater trauten wir uns nicht, etwas zu sagen. Der Mann kam immer wieder, und einmal überraschte er uns, da war das Haus nicht zugesperrt. Die Buben wollte er in den Wald schicken, dort seien Vogelnester, ganz leicht zu erreichen, aber die Buben gingen nicht. Da ging er auf mich los, griff nach mir, ich schrie und wehrte mich, und die anderen Kinder schrien ebenfalls, so daß er von mir abließ. Aber er kam noch einige Male, wenn der Vater auf dem Feld war, und setzte sich in der gleichen Stellung zum Birnbaum. Dann blieb er aus, vielleicht hat der Vater ja doch etwas gemerkt.
    Wenn nachmittags Geschichts- oder Erdkundeunterricht in der Schule war, durfte ich vorzeitig heimgehen, da war für mich die Schule aus. Auf dem Heimweg stand auf einmal ein Mann mit einem großen Hund vor mir und hielt mich an. Er sagte, ich muß mit ihm durch den Wald gehen. Er hielt mich fest. Ich sagte, ich muß schnell heim zu meinen kleinen Geschwistern, die warten auf mich. Er dagegen sagte, wenn ich nicht mitgehe, beißt mich sein großer Hund, der könne mich so sehr beißen, daß ich nicht mehr heimkomme. Er nahm meine Hand, steckte sie in seine Hosentasche und hielt sie fest. Da spürte ich etwas Hartes, und wir gingen weiter. Dann blieben wir stehen. Ich schaute ihn an, er und der Hund schauten mich an. Da sagte ich, dich habe ich schon öfter gesehen, wenn du bei uns warst, du bist der Gerichtsvollzieher. Dann gingen wir schweigend weiter, und an der Abzweigung ging er einen anderen Weg. Er ist nie mehr zu uns gekommen.
    Weil ich recht fleißig war, bekam ich eine Geiß. Das freute mich sehr, sie wuchs heran und brachte mir ein kleines Zicklein. Das Zicklein war ungemein lustig, wenn es seine Sprünge machte, und ich bettelte den Vater, daß ich das Kleine auch behalten darf. Milch gab die alte Geiß nicht viel, aber ich hatte sie sehr lieb.
    Da kam nun die Zeit, daß die Geiß zum Bock gebracht werden mußte. Den hatte die Reindlschmiedin, eine alte Hexe mit über sechzig Jahren. Ich kam also mit meiner Geiß und band sie in der Schmiedewerkstatt an. Die Alte machte den Bock im Stall los. Der Bock war stürmisch und freute sich auf meine Geiß, so daß die Schmiedin nicht Schritt halten konnte. Die Alte stolperte vor meiner Geiß und fiel zu Boden, der Bock entkam ihr und mir die Geiß. Es wurde eine wilde Begegnung. Die Schmiedin schimpfte, dem Bock floß der Schaum aus dem Maul, und ich konnte vor lauter Lachen kein Wort sagen. Als ich meine Geiß heimführte, mußte ich noch immer lachen.
    Als ich bereits fünf alte und eine Menge junge Geißen hatte, sagte der Vater, entweder kommen die Geißen alle weg, oder ich hau euch alle zusammen raus. So habe ich sie dann verkauft. Das war ein harter Handel. Ich lobte meine Geißen über den Schellenkönig. Eine war schwer zu verkaufen, weil sie keine Euter hatte. Ich gab aber nicht nach. Ich machte dem Mann vor, daß er von Geißen nichts verstehe, ob er denn nicht wisse, daß es die Geißen inwendig haben, und er kaufte sie für dreißig Mark. Das war viel Geld. Gut verkauft, sagte der Vater, er hatte sich in den Handel nicht eingemischt. Nach wenigen Tagen kam der Mann wieder und beklagte sich, die Geiß gebe keine Milch. Der Mann war so vierzig Jahre alt, ich dreizehn. Ich sagte ihm, das liegt am Futter,

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