Herbstmilch
Dienstzeit im Pfarrhof beim Herrn Dekan. Der Herr Dekan war eine Respektsperson, und sie sprach von den Geistlichen nie anders als von den »Herren«. Darum gelang es auch dem Herrn Pfarrer leicht, sie und die beiden Onkel dazu zu überreden, den kleinen Albert zum Studieren zu schicken. Das bedeutete auch für sie finanzielle Opfer, noch dazu er ja nicht ihr eigenes Kind war.
In der schlimmen Zeit der Inflation nach dem Ersten Weltkrieg war der Albert zu ihnen gekommen, weil seine Mutter Witwe geworden war und für ihre beiden Kinder nicht mehr sorgen konnte. Seine größere Schwester kam zu anderen Verwandten, die auch eine kleine Landwirtschaft hatten. Weil er in der Schule der Beste war, sollte er also zum Studieren geschickt werden. Er kam in eine Klosterschule nach Württemberg – da ist er vor lauter Heimweh fast krank geworden. Nach drei Jahren wurde die Rente seiner Mutter gekürzt, eine ganz schlechte Zeit war gekommen, da ging das Geld halt ganz aus, und mit dem Studieren war es auch aus. Als Albert heimkam, da hatte er gerade die Zeit hinter sich gebracht, die wir in die Sonntagsschule gehen mußten. Doch bei den Leuten war er von nun an »der ausgesprungene Pfarrer«, und damit haben sie ihm das Leben schwergemacht.
Nun mußte er erst einmal die Bauernarbeit lernen, denn der Onkel Albert wollte ihn später zum Erben einsetzen. So kam er zu einem Bauern in Dienst. Der Lohn war eine Mark fünfzig die Woche, ein Oberhemd kostete drei Mark und ein Paar Straßenschuhe Marke Salamander zwölf Mark.
Auf dem Hof gab es außer dem Bauern und der Bäuerin, die kinderlos waren, ein kräftiges Mannsbild, den Baumann, das war der erste Knecht, dann den Mitterknecht, den Albert als dritten und schließlich den Stallbub. Dazu die Oberdirn und die Mitterdirn. So saßen acht Personen um den Tisch. Die Bäuerin war eine brave Frau und hat den Dienstboten ein gutes und viel Essen gegeben. Die Knechte gingen abends zum Treffen mit den anderen vom Nachbarhof, lagen auf dem Wiesenrain und redeten über den Bauern, die Tagesarbeit und über die Weiberleut und welche Mucken die eine und die andere hat.
Besonders schön war das Sonnwendfeuer, das auf einem Feldweg angezündet wurde. Da waren alle Burschen und Weiberleut beisammen, einer der Burschen spielte die Zugharmonika, die Weiberleut wurden an den Händen gefaßt, und so wurde mit ihnen übers Feuer gesprungen. Wenn das Feuer ziemlich niedergebrannt war, waren dann die Kinder daheim und die Jungen unter sich, da wurde dann schon ein wenig geschmust, und manche haben zusammengefunden. Doch bald schon war es aus mit dem anheimelnd gemütlichen Sonnwendfeuer, die Partei hat das in die Hand genommen, da war es nicht mehr so schön.
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Bei der Ernte haben wir damals alles mit der Sense gemäht, ich habe die Garben gebunden, die dann auf dem Feld zu Mandln zusammengesetzt wurden, sieben Garben zu einem Mandl. Da blieben sie zum Trocknen einige Tage stehen, bis man sie einfahren konnte. Heute frage ich mich oft, wie ich das während des Krieges sechs Jahre lang schaffen konnte. Nachher, als wir uns schon einen Schlepper gekauft hatten, 1953 , mähten wir das Getreide mit dem Bindemäher, der hat 3000 Mark gekostet, da blieb nur noch das Mandlaufstellen. Unsere Kinder mußten die Garben halten, damit sie nicht umfielen, bis das Mandl fertig zusammengesetzt war. Die Garben waren höher als die Kinder, die bei dieser Arbeit schnell müde wurden. Ich mußte heim zur Stallarbeit, und da hat mein Mann den Kindern Geschichten erzählt und Gedichte vorgetragen, wie die Bürgschaft von Schiller und andere, damit die Kinder ausgehalten haben, denn es wurde spät, und der Mond stand hoch am Himmel. Wenn mir beim Kühemelken die Augen zufielen und Träume kamen, melkte ich einfach weiter, während der Albert sich nach dem Mandlaufstellen kurz mit den Kindern ein wenig auf den Rain legte, weil alle so müde waren.
Vor dem Krieg waren noch viele Dienstboten da, und wir hatten beim Dreschen des Getreides viel Spaß, besonders im Herbst, wenn die Drischlegen gehalten wurden. Bei den größeren Bauern dauerte das Dreschen mit dem Dampf drei, vier Tage, und die Größe eines Hofes wurde mit der Dauer der Dreschtage angegeben. Da gab es vielleicht was zu essen! Am Morgen eine kräftige Trebernsuppe, um neun Uhr zur ersten Brotzeit einen Erdäpfelkas, zum Trinken Scheps oder Apfelmost und zu Mittag ein Trumm Schweinernes gebraten, mit Knödeln. Bei einem Hof hat die Bäuerin Kartoffelknödel
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