Herbstmilch
setzte sich der Pfarrer in den Beichtstuhl, und wir stellten uns in der Reihe an, einmal kam eins von links dran, dann eins von rechts. Es war manchmal ein Aushilfsgeistlicher da, der einen nicht so kannte, zu dem gingen viele lieber.
Da hat uns der Pfarrer dann befragt, zuerst nach dem Namen, bei den Verheirateten dann besonders nach der Kinderzahl und nach dem Alter des jüngsten Kindes. Es kam dann schon auf, ob der Kindersegen verhütet worden ist, und das war eine Todsünde. Da kommt man im Fall eines plötzlichen Todes gleich in die Hölle. Meine Mutter ist beim letzten Kind gestorben, weil sie nicht in die Hölle kommen wollte. Der Doktor hat schon gewarnt, aber die Mutter wollte das nicht auf ihr Gewissen nehmen. Unsere Mutter hat sich aber aus der Ewigkeit um uns Kinder gekümmert, und es sind alle große und richtige Leute geworden.
Bei der Beichte sind aber auch andere Weiber gewesen. Einmal hat eine ganz laut gesagt, ich bin doch kein Backofen, wo ein Laib herausgezogen und der andere hineingeschoben wird. Die bekam keine Absolution und mußte so gehen. Weil aber die anderen so nahe standen und auch der Aushilfsbeichtstuhl offen war, hörten das die anderen, und es wurde herumgeredet.
Ein Verheirateter bekannte seinen Ehebruch, das war nun schon das Allerschlimmste, und der geistliche Herr wollte ihm besonders zureden und rief ganz laut, du bist verloren, dich holt ja der Teufel, da war der Mann nun doch vor den Umstehenden blamiert, und er stand auf und ging lange Jahre nicht mehr in die Kirche. Er war aber kein schlechter Mensch und hat jedem geholfen.
Auch mich hat der Pfarrer gefragt, ob ich etwa an meinen Brüdern, die noch klein waren, herumgespielt habe, wenn ich sie badete oder ihnen beim Bieseln half, aber das war für mich nur eine Arbeit, und der Hintersinn ging mir gar nicht auf. Später, wie ich den Albert kannte, da habe ich lieber in der Stadt gebeichtet, da kannte mich niemand. Nach der Beichte und der Lossprechung bekam man ein Bildchen mit einem Gebet drauf und eine Buße. Da konnte man schon einen Rosenkranz beten müssen in den schweren Fällen, sonst drei Vaterunser-bei-mir.
Nach der Beichte war Mittagszeit, und es gab bei den Bauern ein gutes Essen. Das Beichtkind hatte einen freien Tag. Am Nachmittag war eine Andacht, und nachher gingen die Verheirateten miteinander ins Wirtshaus, und der Mann hat seine Frau gut halten müssen. Das war immer ein schöner Tag.
Mein Vater hat aber einmal am Beichttag Holz gespalten, da ist die Hacker abgerutscht, und er hat sich in den Fuß gehackt, so daß viel Blut herauskam. Es spritzte ihm bis ins Gesicht, ich mußte viel verbinden, und der Vater konnte fast nicht mehr gehen und hat immer gesagt, daß er nun niemals mehr am Beichttag arbeiten wird.
Ein besonderes Ereignis war für die Pfarrei eine Primiz. Das war das erste Heilige Meßopfer eines neugeweihten Priesters in seiner Heimatgemeinde. Das wurde als großes Fest gefeiert, am Dorfeingang war ein mit Girlanden geziertes Stangengerüst, der Triumphbogen, alle Häuser wurden geschmückt, die Straßen mit Birken wie am Prangertag. Auf der Kirche hing die weißgelbe Kirchenfahne, und der Primiziant wurde von einer Kutsche mit schön gezierten Rössern vom Bahnhof abgeholt. Die Priesterweihe selbst war immer am Peter und Paulstag, dem 29 . Juni, im Dom in Passau, weil dort der Bischof war.
Eine Primiz kam nicht oft vor, in manchen Pfarreien oft ein Menschenalter lang nicht. In Pfarrkirchen war das öfter, da ist auch eine Wallfahrtskirche, und die Muttergottes vom Gartlberg hat da schon dazugeholfen. Alle Pfarrangehörigen sind dabeigewesen, es war ein wunderbarer Gottesdienst in der Kirche, mit Blasmusik. Der Neugeweihte hielt seine erste Predigt und spendete am Schluß den sehr feierlichen Primizsegen, der eine besondere Kraft hat. Im Wirtshaus gab es ein großes Festessen, und alles war dabei. Ich durfte nicht hingehen wegen der Arbeit, es hätte auch keinen Sinn gehabt, weil ich kein Geld hatte. Aber der Albert hat es mir erzählt. Der Primiziant bekam von jedem Mahlteilnehmer ein Geldgeschenk in einem Kuvert mit Namen drauf, das war seine Aussteuer von der Pfarrei, damit er sich Möbel und was er halt so brauchte, kaufen konnte, wenn er einem Pfarrer als Kooperator zugestellt wurde. Bei uns hier wurden sie zum Anfang zu den Waldlern versetzt in den Bayerischen Wald, eine arme Gegend, zu den Steinhauern und Holzarbeitern.
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Alberts Tante, die Tante Lini, erzählte gerne von ihrer
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