Herbstmilch
leichter leben ließ. Meine Firmpatin redete mit dem Vater, ich schaute vorsichtig durch den Türspalt. Sei froh, sagte die Patin, wenn du das Mädl unterbringst, die Kleinen sind nun auch schon groß, und es wird von Woche zu Woche besser. Da gab der Vater seine Zustimmung.
Ich war noch nicht einundzwanzig, Albert dreiundzwanzig Jahre alt. Zum Glück hatte ich in all den Jahren Enten und Gänse gehalten und mir aus den Federn zwei Betten gemacht. Ich bin auch oft Tagelöhnerin gewesen und habe von dem Geld Handtücher, Bettüberzüge und Wäsche gekauft, so daß ich nicht mit leeren Händen dastand. Für den Anfang hat es gereicht. Andere Mädchen, die eine Mutter hatten, haben oft nicht mehr gehabt.
Albert hatte auch Schwierigkeiten gehabt, seine alten Leute auf eine Hochzeit vorzubereiten. Er hat seinen Onkel auf den Knien um Zustimmung gebeten. Damit das leichter ging, bin ich einmal eine Woche lang als Erntehelferin bei seinen Leuten gewesen. Da lernten sie mich unvoreingenommen kennen und ich sie auch. Aber der Onkel Otto merkte doch, daß mit uns beiden was nicht stimmte. Er hatte beobachtet, daß sich unsere Füße unter dem Tisch immer suchten. Als Albert dann sagte, daß dieses Mädchen seine Braut sei, konnten sie, nachdem sie mich vorher so gelobt hatten, schlecht das Gegenteil sagen.
Am 25 . Juli 1939 wurde an Albert der Hof übergeben. Am 18 . August war die standesamtliche und am 19 . die kirchliche Trauung.
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Wie wir damals geheiratet haben, da ging es gar nicht feierlich zu, und wenn es danach gegangen wäre, dann wäre nichts Gescheites draus geworden. Die Schmied Girgli hat oft erzählt, daß sie die schönste Hochzeit in der ganzen Gemeinde gefeiert haben, wahrscheinlich konnten die beiden das Feiern gar nicht mehr aufhören, denn nachdem sie ihr Haus und Anwesen durchgebracht hatten, die Kinder wurden immer mehr und das Vermögen immer weniger, kamen sie auf die Gemeinde. Diese hat sie dann überredet, in die Nachbargemeinde umzuziehen, dort hat ihnen die Heimatgemeinde ein Haus dafür gebaut, da waren sie diese Leute los. Das Bier ging ihnen aber auch dort nicht aus, eher die Arbeit.
Beim Standesamt angekommen, da zog der Standesbeamte schnell seine Jacke über, und dann saßen wir recht verloren auf den hochlehnigen Stühlen. Der Standesbeamte leierte was von der Ehe in der neuen Zeit, wo wir dem Führer alles zu verdanken haben. Er ließ uns unterschreiben, die Trauzeugen auch. Dann gab er uns ein Familienstammbuch, Hitlers »Mein Kampf« und einen Gutschein für ein kostenloses Monatsabonnement des »Völkischen Beobachters«. Die Zeitung bedeckte den halben Tisch, und die Schlagzeilen bedeuteten nichts Gutes. Elf Tage später mußte mein Mann einrücken, den »Völkischen Beobachter« brauchte ich nicht mehr, das Familienstammbuch wurde bei weitem nicht voll, und das Buch »Mein Kampf«, das hat nachher ein Sammler gekauft, mitsamt den Kriegsauszeichnungen von meinem Mann, da war aufgeräumt.
Am nächsten Tag fuhren Vater und ich mit einem alten Auto vor die Kirche, Albert und sein Onkel als Trauzeuge kamen mit dem Omnibus. Der Pfarrer saß beim Wirt und schaute zum Fenster heraus. Da sind sie ja, sagte er, kam heraus, zog ein Meßgewand an, las eine Messe und traute uns. In der Kirche standen fünf Betonmaschinen, Gerüste waren aufgestellt, und überall lagen Bretter herum. Ein altes Weib mit einem Henkelkorb am Arm war auch drinnen. In einer halben Stunde war es vorbei, und wir waren Mann und Frau. Wir zogen unsere schönen Kleider aus und fingen die Arbeit an. Das Essen war wie an anderen Tagen auch. Ein Hochzeitsfoto wurde nicht gemacht. Der Bruder meines Mannes, ein guter Fotograf, sollte es machen, doch dann kam er nicht.
Ich half mittags beim Geschirrwaschen, mein Mann machte die Stallarbeit. Am Nachmittag holten wir uns vom Dachboden zwei alte Bettstellen, zwei Strohsäcke mußten noch gestopft werden, und so richteten wir uns die Ehebetten. Der Onkel Otto sagte, habt ihr die Werkstatt schon fertig? Wir schämten uns und warteten am Abend, bis alle zu Bett gegangen waren, ehe wir auch gingen.
Meine Möbel brachte der Schreiner erst nach drei Wochen. In dem Zimmer, in dem sie später aufgestellt wurden, klaffte der Lehmbewurf weit auf, und der Schreiner wollte die schönen Möbel gar nicht aufstellen. Es war ein altes Haus, im Erdgeschoß gemauert, oben aus Holzbalken und innen mit Lehmbewurf. In der Küche war ein löcheriger Zementfußboden, in der Mitte eine hölzerne
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