Herbstmilch
Dunkelheit konnte er nicht ausweichen. Da verwünschte er die Alte, daß auch sie, wenn sie heimkommt, nicht in ihr Haus hineinkommen soll. Endlich ging sie doch und mußte tatsächlich im Heu schlafen, weil ihre Kinder in so tiefem Schlaf lagen, daß sie ihr nicht aufmachten.
Uns war schade um jede Stunde, wir hatten uns soviel zu sagen, daß wir kein Auge zutaten. Auch Albert hatte eine armselige Kinderzeit hinter sich. Darum liebten wir uns um so mehr. Eines Sonntagnachmittags kam Albert unverhofft daher. Ich war gerade mit dem Hausputz beschäftigt, die Arbeit ging nie aus. Da habe ich ihm sehr leid getan. Nun kam er alle Sonntage, und die Buben erzählten es dem Vater. Meine Schwester sagte nichts. Da war der Vater sehr zornig und drohte dem rotbrüstigen Hund, so nannte er den Albert, eine schlimme Behandlung an. Der aber kam am nächsten Sonntag wieder, ging in der Stube auf den Vater zu und stellte sich vor. Ich zog mich gleich zurück und schaute durch eine Türspalte hinein, wie das ausgehen wird. Aber der Vater war gar nicht so böse, bald unterhielten sich die beiden, und ich traute mich wieder hinein. Der Albert sagte dem Vater, daß seine Leute einen Bauernhof haben in der Größe wie der unsere. Eine Tante und zwei Onkel waren die Besitzer, und er sollte der Nachfolger werden. Die waren alle schon an die 70, und so war Aussicht, daß wir heiraten konnten. Da hatte der Vater nichts mehr dagegen, daß Albert am Sonntag kam. Meiner Schwester brachte er Schokolade und den kleinen Brüdern Zuckerfeigen, da waren auch sie zufrieden.
Ich wollte meinen Freund, der sich auch immer etwas ausdachte, mit ins Bett nehmen, der Vater mußte überlistet werden. Der Schockerl, unser Hund, durfte nicht bellen, und die fünf kleineren Geschwister durften es nicht wissen, außer meiner Schwester, die in meiner Kammer schlief. Ich wußte, daß mein Freund an der hinteren Haustür stand. Dann war’s soweit. Alle miteinander gingen wir zu Bett. Der Vater trug das kleine Lämpchen und ging voraus. Den Schockerl hatte er noch bei der vorderen Haustür hinausgelassen. Dann gingen die fünf kleineren Geschwister, schon fürs Bett gerichtet, hinter dem Vater her. Ich schaute noch, ob hinten die Haustür zugeschlossen war, und ließ zugleich den Albert herein. So zogen wir alle hintereinander die Stiege hinauf. Vater mit dem Licht als erster und mein Freund als letzter. Wehe, es hätte sich einer umgeschaut!
Wir hatten ein altes Grammophon mit einer einzigen Schallplatte, und die hatte einen Sprung. Auf der einen Seite war Wiener Blut, auf der anderen der Kuckuckswalzer. Mit einer Kurbel mußte man drehen, immerzu, denn die Feder hakte nicht mehr ein. Da saßen wir auf dem Stubenboden, und aus dem Trichter kam immerzu der Kuckuckswalzer. Das wurde unser Liebeslied. In späteren Jahren hat mein Mann dann einen Plattenspieler gekauft mit dem Kuckuckswalzer, aber so echt klang er doch nicht mehr wie damals, denn die neue Platte hatte keinen Sprung.
Zu Weihnachten hat mir Albert dann ein Kleid geschenkt und ein Paar Schuhe und eine Bettdecke, denn in der Kammer war es kalt. Auch ein Schott-Meßbuch hat er mir gegeben, das hat den Vater sehr beeindruckt. In der Erntezeit kam er abends, half uns beim Mandlaufstellen und hat sich mit dem Vater unterhalten. So gewöhnte sich der Vater an ihn.
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Als wir uns kennenlernten, es war im Frühjahr 1936 , da erzählten wir einander unser bisheriges Leben. Und in diesen Gesprächen waren wir uns immer nähergekommen.
Ein geistlicher Herr hat dem Albert zur Ehevorbereitung ein Büchlein geschenkt, und da wurde er richtig aufgeklärt. Es war von einem Jesuitenpater Schilgen, das hat er bis heute nicht vergessen. Da drinnen stand nun klipp und klar, daß jeder eheliche Verkehr, wenn er nicht naturgemäß vollzogen wird, eine Todsünde ist, denn die Eheleute stehen im Dienste des Schöpfers. Da war der Albert sehr enttäuscht, denn nun war es nur noch schlimmer, weil wir ja immer beisammen schlafen wollten.
Zur Osterzeit gab es in der Kirche immer die Standeslehre für alle Pfarrangehörigen zur Vorbereitung auf die Osterbeichte, das war an einem Feiertag. Da war am Morgen eine Heilige Messe, anschließend hielt der Pfarrer eine eingehende Belehrung über die Pflichten des jeweiligen Standes, für die ledigen Weiberleute an einem Tag, an einem anderen für die ledigen Mannspersonen, die Verheirateten hatten ihren eigenen Beichttag. Da wurde uns richtig ins Gewissen geredet, und anschließend
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