Herbstmilch
Säule, die die Decke stützte, und um diese Säule war ein runder Tisch gebaut.
Unsere alten Leute hatten es aber auch nicht leicht gehabt, sie hatten 1912 das Anwesen in bankrottem Zustand gekauft und viel Arbeit und Mühe aufgewendet, bis sie die Schulden abbezahlt hatten. Der Kuhstall war im Nordteil des Hauses, über dem Stall ein Futterboden. Drei Kühe, zwei Zugochsen, drei Schweine und fünf Jungrinder waren da. Das Wirtschaftsrecht und alle Einnahmen hat sich der Onkel Albert, der eigentliche Eigentümer, noch für zwei Jahre ausbedungen.
Wie wir geheiratet haben, waren wir so arm, das kann sich heute niemand vorstellen. Das mußte man schon von klein an gewöhnt sein, sonst hätte man das nicht ausgehalten. Vier alte Leute in einer Stube, davon drei gehbehindert! Nur die Schwiegermutter war früher verheiratet gewesen, die war auch am meisten eifersüchtig auf uns. Onkel Otto war mir der liebste.
Einmal erzählte er mir, daß er in Burghausen im Seminar war und daß er in einer Brauerei Biersieden gelernt hat. Das hat mich sehr interessiert. Das meiste konnten wir uns beim Haarschneiden, bei der Finger- und Fußpflege erzählen.
So fingen wir dann gleich an, Bier zu brauen. Große Töpfe und Zuber waren da, Gerste und Hopfen hatten wir auch selber. Erst siebten wir so an die 40 Pfund Gerste, die wurde dann eingeweicht. Dann kam sie nach ein paar Tagen auf ein ganz feines Gitter und wurde wieder einige Tage leicht warm gestellt. Nun fing sie zu wachsen an. Die Gerste durfte nur Wurzelkeime kriegen, keine Blattkeime. Wenn sie richtige Haxen hatte, wurde die Gerste getrocknet, die Keime wurden abgerieben und schön gesiebt. Dann war sie bierfertig. Geschrotet mußte sie aber noch werden. Eine Schrotmühle hatten wir auch.
Onkel Albert hat extra fürs Bier die passenden Kübel und Fässer gemacht, das hatte er früher gelernt. Dieses Geschirr durfte man zu nichts anderem verwenden, sonst wäre der ganze Sud sauer geworden. Das erste Wasser wurde auf 30 Grad erhitzt und mit der Gerste eine Stunde stehengelassen, dann abgeseiht, dann wieder stärker erhitzt und nun mit Hopfen zu Bier gemacht. Wenn es dann in einem bestimmten Kübel ausgekühlt war, wurden Bierhefe und eine Kleinigkeit Zucker dazugegeben. Das machte die Gärung. Nach einigen Tagen wurde es in Literflaschen abgezogen und stehengelassen. Es war nicht so gut wie das heutige Bier, aber es hat doch allen Leuten geschmeckt. Man konnte auch einen ganz schönen Rausch kriegen.
Die Mutter meines Mannes war gegen die Heirat gewesen. Ich aber habe mich auf die alten Leute gefreut und gehofft, in meiner Schwiegermutter eine Mutter zu finden für meine Mutter. Aber ich wurde bitter enttäuscht. Als wir von der Trauung zurückkamen und ich das Haus betrat, stand die Schwiegermutter im Fletz und sagte, auweh, das wird schon nichts Gescheites, die ist schon mit dem linken Fuß zuerst herein. Ich habe das nicht gewußt, sonst hätte ich es anders gemacht. Die Schwiegermutter wollte auch die Hochzeit verschieben, damit ich ihr den Buben nicht wegnehme.
Die beiden Onkel hatten Hüftgelenke, die verrenkt waren, und konnten nur mit Stöcken mühsam gehen, die Tante kochte noch. Die Schwiegermutter arbeitete gar nichts, aber paßte auf mich auf. Eine auswärtsbeinige alte Magd war noch da, die war auch noch bucklig. Wir hatten einen großen Arbeitseifer und sagten uns, wir werden es im Lauf der Zeit schon richten.
*
Es war noch Erntezeit, und beim Nachbarn stand die Dreschmaschine, da kam mittags mit der Post der Einberufungsbefehl für meinen Mann. Wir wollten nach der Ernte eine kleine Hochzeitsreise machen, nach Bad Wiessee, da wohnte ein Bruder meines Mannes. Damit war es nun nichts mehr. Mein Mann mußte nach Schrobenhausen einrücken, wir waren gerade elf Tage verheiratet. Ich habe in der Hochzeitsnacht lange geweint, weil ich eine Vorahnung hatte. Er war der erste in der Gemeinde, das fing schon gut an. Ich wußte unsere Wiesen und Felder nicht einmal und sollte nun die ganze Arbeit machen.
Daß mein Mann in der ganzen Gemeinde der erste und einzige war, der einrücken mußte, hat mich sehr geärgert. Nur weil meine vier alten Leute keine Nazis waren! Alle anderen jungen Männer waren lange Zeit noch daheim. Wenn unsere Nachbarin im Sommer fast jeden Abend mit ihrem Mann schön angezogen spazierenging und ich vor lauter Arbeit gar nicht wußte, wo ich zuerst hinrennen sollte, habe ich mich geärgert.
Bei uns gab es nur wenige Hitler-Anhänger, denn
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