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Herbstmilch

Herbstmilch

Titel: Herbstmilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Wimschneider
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gesagt, das darf man nicht tun, so ein Kreuz ist von den Vorfahren aufgestellt worden, das muß man in Ehren halten.
    Heute ist der Mann längst gestorben, sein Hof ist abgerissen worden, an dieser Stelle wächst Gras, und bald weiß niemand mehr, daß da einmal ein Bauernhof gewesen ist. Nach Kriegsende haben die Amerikaner ihn dann im Sammellager auf der Rennbahn eingesperrt und ihn mit einem Fußtritt in eine Wasserlake gestoßen, ausgerechnet den, der von den Parteileuten am wenigsten was dafür konnte.
    Die Hitlerbilder in den Bauernhäusern waren dann auch nicht mehr da, eigentlich konnte sich niemand erinnern, daß sie früher einmal in der Stube hingen. Der Nachbar, den der schwarze Frack gestört hatte, war wieder normal und hat zum Geburtstag eine Ehrung in der Zeitung bekommen als einer, dessen Wort in der Gemeinde was galt. So verging das Tausendjährige Reich bei uns.

    *

    Meine Schwiegermutter sagte, jetzt, wo dein Mann nicht mehr hier ist, mußt du bei mir in der Kammer schlafen, du bist noch jung, und es könnte einer zu dir kommen. Mir war es gleich, ich war am Abend sowieso so müde, daß ich nur schlafen wollte. Daher zog ich in ihre Kammer.
    Um zwei Uhr morgens mußte ich aufstehen, um zusammen mit der Magd mit der Sense Gras zum Heuen zu mähen. Um sechs Uhr war die Stallarbeit dran, dann das Futtereinbringen für das Vieh, im Haus alles herrichten und wieder hinaus auf die Wiese. Ich mußte nur laufen. Die Schwiegermutter stand unter der Tür und sagte, lauf, Dirndl, warum bist du Bäuerin geworden? Sie aber tat nichts.
    Der Krieg war ausgebrochen, und nun würde es vielleicht bis Weihnachten dauern, bis mein Mann zurückkommt. Aber er war nur drei Wochen fort, da klopfte es am Samstag in der Nacht am Fenster. Ich war ganz verschlafen, bis ich begriff, daß meine Schwiegermutter mit meinem Mann sprach. Sie sagte, bleib nur liegen, ich mach ihm schon auf. Sie ging hinunter, ich stand schnell auf, raffte mein Bettzeug zusammen und huschte schnell in unsere Ehekammer.
    Es war trotz aller Freude auch eine traurige Nacht, ich weinte und jammerte ihm alles vor. Ich hatte ja nur ihn. Er hat mich getröstet und fest versprochen, daß er bald heimkommen wird. Am Sonntag mußte er wieder fort, ich begleitete ihn bis zur Kuppe des kleinen Bergerls, etwa 50 Meter weit. Wenn ich dann Krähen hörte, war ich getröstet, das war ein gutes Zeichen. Elstern hätten Unglück bedeutet.
    Ich konnte nicht ackern, und das mußte ich nun gleich lernen. Ich zog den Mistwagen aus dem Schuppen, der Pflug kam drauf und auch der Onkel. Die Ochsen wurden eingespannt. Die aber waren schon länger im Stall gestanden und übermütig, so fingen sie an zu laufen, und ich mußte mit. Ich hatte einen Stock dabei, mit dem ich sie auf den Kopf schlug, aber das machte ihnen nicht viel aus. Zum Umschauen war keine Zeit. Als ich endlich den Acker erreicht hatte, war der Onkel nicht mehr auf dem Wagen. Ich hatte ihn verloren. Weit hinten winkte er mit seinem Stock.
    Nun mußte ich umkehren und ihn holen. Er richtete mir den Pflug, ich spannte die Ochsen ein, und der Onkel Albert sagte, der Pflug geht gut, und die Ochsen gehen gut, wenn etwas fehlt, bist du schuld. Das war ein schlechter Trost. Es war ein langes Feld, und ich mußte den Holzpflug im Boden halten, was Übung und Kraft brauchte, und ich mit meinen 50 Kilo, da laufen die doch, wohin sie wollen. Ich weinte bis oben vor lauter Angst. Nach einer Weile wurden die Ochsen aber müder, und ich bekam mehr Mut. Der Onkel saß derweil im Gras und schaute zu. Als es dann besser ging, wackelte er mit seinem Stock mühsam heim.
    Nach einigen Tagen war auch Heu zum Einfahren. Heu mit der Gabel laden, das hatte ich noch nie gemacht. Früher hatte ich es immer nur richten müssen. Nun mußte ich aufladen, das war richtige Männerarbeit. Die bucklige Magd war auf dem Wagen zum Richten. Als nun das Fuder immer höher wurde, da warf sie mir fünf Bauschen wieder herunter, weil ich die Gabel nicht so gut gebrauchen konnte wie mein Mann. Ich bekam eine solche Wut, daß ich sie mit der Gabel heruntergeschlagen hätte, aber sie wich mir nach allen Seiten aus, und ich war zu klein.
    Eine Mähmaschine hatten wir noch nicht, die hatten nur die größeren Bauern. Der Nachbar hatte schon eine, mit zwei Pferden bespannt ging das recht gut. Da habe ich ihn einmal gebeten, er möchte mir eine Wiese abmähen. Er aber wollte nicht. Zum Dreschen halfen sich die Bauern gegenseitig aus, und man mußte sehr

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