Herbstmilch
liefen mir die Tränen übers Gesicht. Der Gottesdienst war schon halb zu Ende, und ich stellte mein Fahrrad an die Kirchenmauer und drückte mich ganz hinten in die Kirche, damit niemand mein verweintes Gesicht sehen konnte. Und zum Ende, noch ehe sich die Leute umgedreht haben, bin ich schnell fort und heim zur Arbeit.
Die beiden Onkels und die Tante konnten nicht mehr zur Kirche gehen, der Pfarrer besuchte sie dann von Zeit zu Zeit. Die Schwiegermutter war noch gut zu Fuß, aber ihr war der Weg zu weit.
Nun war ich schwanger. Als meine Schwiegermutter das merkte, beschimpfte sie mich aufs ärgste. Du allein hast schuld, nur du wolltest das Kind, der Albert wollte gewiß keins, und dir werde ich lauter Herbstmilchsuppe geben. Du solltest verrecken müssen bei der Entbindung, denn du hast mir meinen Buben genommen. Aber ich habe mich auf das Kindlein gefreut, wir hatten es uns ja gemeinsam gewünscht. Drum sagte ich zu ihr, Mutter, ich habe es ja nicht allein gemacht. Da konnte sie nichts mehr sagen.
Die Monate vergingen, und immer wieder mußte ich die bösen Worte hören. Eines Tages mußte ich aufs Feld, um die Kartoffeln mit dem Pflug anzuhäufeln. Vier Wochen waren es noch zur Entbindung. Da gingen mir die Ochsen durch. Weil ich die Leine um die Hand gewickelt hatte, konnte ich mich auch nicht freimachen, und so schleppten mich die Ochsen, ich war zu Fall gekommen, quer über die Furchen, gut hundert Meter weit auf dem Bauch dahin. Hinter mir den Pflug, der mich unweigerlich erfaßt und schwer verletzt hätte, wenn ich losgekommen wäre. Endlich ging es bergauf, und meine einzige Rettung war, daß die Ochsen nun langsamer wurden und ich auf alle Fälle auf die Füße kommen mußte, um sie anzuhalten. Mit aller Kraft raffte ich mich schnell auf, und nun konnte ich sie in einen Bogen zwingen, so daß sie im Kreis liefen und schließlich anhielten.
Ich sah furchtbar aus. Erde, Gras, Kartoffelstauden, alles hing an mir herab, meine Schürze war zerrissen, Hände und Arme aufgeschrammt. Es war schrecklich, ich dachte an mein Kind und hatte Angst.
Aber nun ergriff mich ein wilder Zorn, und ich zwang die Ochsen erst noch zur Arbeit, auf und ab das Feld, immer wieder, bis ihnen die Zunge heraushing und sie schweißnaß waren. Auch als schon Feierabendzeit war, hörte ich noch nicht auf, bis alle Furchen geackert waren. Als wir endlich heimkamen, erschraken doch alle sehr, wie ich aussah. Sie konnten nicht verstehen, daß ich nicht aufgegeben hatte.
Am nächsten Tag dachte ich mir, so kann das nicht weitergehen. Ich fuhr mit dem Rad zum Wehrbezirkskommando in der Stadt, um Urlaub für meinen Mann anzufordern. Die schickten mich erst einmal zur Kreisbauernschaft, damit mir ein Betriebshelfer zugeteilt würde. Ich bin hingegangen, und es wurde mir vom Stabsleiter Hilfe zugesagt.
Am nächsten Tag, abends gegen halb sechs, war ich noch alleine bei der Arbeit auf dem Rübenfeld an der Straße, da kam ein ganz junges Mädchen und fragte nach meinem Namen. Es stellte sich heraus, daß sie meine Hilfe sei. Da stieg mir schon der Zorn auf, denn das war ja kaum eine Hilfe für den Haushalt. Auf der Stelle schickte ich sie zurück.
Am nächsten Morgen fuhr ich gleich wieder hinein zum Stabsleiter. Noch auf dem Stadtplatz traf ich seine Freundin an, die mir gleich die größten Vorwürfe machte, weil ich das arme Mädchen zurückgeschickt hatte. Mir war nun schon alles gleich. Was kann ich mit der anfangen, im Haus kann ich selber arbeiten, ich brauche einen Mann für die schwere Außenarbeit! Dann ging ich ins Büro zum Stabsleiter. Der hätte mich vor Wut am liebsten gefressen. Wir kamen nun derart zum Streiten, so daß ich sagte, hier bleibe ich stehen, um meine Arbeit und meine alten Leute kannst du dich kümmern!
So stritten wir immer weiter, je länger, um so ärger. Dann drohte er mir. Ich meinte, ich trage ein Kind, und da kann mir schon gar nichts passieren. Dir aber, sagte ich, dir passiert noch was, da lebe ich noch lange, wenn sie dich längst umgebracht haben. Er sprang von seinem Stuhl auf und tobte wie ein Wilder. Er schrie seine Sekretärin an, sie solle die Polizei anrufen, auf der Stelle würde er mich verhaften lassen. Die Sekretärin, eine Rothaarige, wußte auch nicht recht, was sie tun sollte, weil er immer recht tobte. So blieb ich stehen und sagte, ich kann es aushalten, das ist für mich eine Erholung gegen daheim. Nun wußte er sich keinen Rat, mich loszuwerden, und endlich sagte er, morgen wird
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