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Herbstmilch

Herbstmilch

Titel: Herbstmilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Wimschneider
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großen Besitz, zwang es zur Hochzeit. Der Bauer war aber lieber im Wirtshaus und im Wald als bei seiner jungen Frau. So wurde die Ehe unglücklich. Ein Roßtäuscher, ein schmucker Mann, wurde nun der Liebhaber der jungen Frau. Es war gerade der Erste Weltkrieg zu Ende, und das Paar hatte schon den Plan gefaßt, den Bauern zu töten. In der Stadt waren Truppen im Quartier, und die junge Frau ging zu dem Militärarzt, um sich, wie sie sagte, ein Marschierpulver zu holen. Der wies sie zwar ab, aber sie ließen ihren Plan nicht fallen. Der Liebhaber hatte nun bald als Roßhändler Zugang zu Arsenik, mit dem damals ältere Pferde aufgepulvert wurden. Dieses Gift gab die Frau ihrem Mann in den Kaffee, und er starb. Es wurde bald heimlich gemunkelt, weil nun das Paar heiratete. Aber weil sie beide das Geld mit vollen Händen ausgaben und sie an Ansehen gewannen, traute sich niemand, etwas zu sagen. Alle geachteten Bürger der Stadt waren ihre Freunde, und es dauerte acht Jahre, bis der Hof ruiniert und das Geld ausgegangen war. Nun hatten sie keine Freunde mehr, und das Gerede fing wieder an. Der Tote wurde gefunden, nächtlich ausgegraben, und in einem langen Prozeß wurde der Beweis geführt, daß sie den Bauern vergiftet hatten. Die Frau kam lebenslänglich ins Zuchthaus, ihr Mann und Mittäter 15 Jahre.
    Ich habe diesen Mann mit seinen eisgrauen Haaren nach seiner Entlassung noch oft gesehen, auch die Frau, die nach 20 Jahren begnadigt wurde, habe ich noch gekannt.

    *

    Als der Onkel Otto gestorben war, kam bald die Währungsreform. Wir hatten ein Feld mit Gurken angebaut, die brachten mehr Geld als Getreide. Ein ganzer Lastzug voll war unsere Ernte. Da konnten wir wenigstens die Beerdigung bezahlen. Dem Doktor schuldeten wir noch 700 Mark, die wir langsam abstotterten.
    Am 2 . Juni 1949 bekam unsere Carola ein Schwesterchen, die Christine. Und am selben Tag ist auch zur selben Stunde mein Vater gestorben. Er hat kein leichtes Leben gehabt und hat den Tod unserer Mutter nie ganz überwunden.
    Wenn ich an meine Kinder denke, wie sie noch klein waren, da waren manche Sorgen. Die ältere Tochter ist ganz plötzlich steif geworden, hat die Arme und Füße ganz steif gehabt, und ein weißer Schaum ist aus ihrem Mund gekommen. Ich konnte dagegen gar nichts machen, ich wußte nicht, was ich anfangen sollte! Das kam dann öfter, und ich fuhr ganz schnell mit dem Rad zum Arzt, der sagte, das sind Froasen, ich sollte die Carola liegen lassen, sonst könnte ihr etwas bleiben, was ihr im Leben nachteilig wäre. Ich mußte ihr dann Tropfen ins Flascherl geben, und es hat sich dann später doch nicht nachteilig ausgewirkt.
    Die zweite Tochter war auch in den ersten Monaten so krank, da gebe ich mir aber heute selber die Schuld. Ich mußte immer draußen bei der Arbeit sein und bin dann schnell hineingelaufen zum Stillen. Das Kind hatte Hunger und hat die erhitzte Milch getrunken und ist darmkrank geworden. Es hat ganze Nächte geschrien und nicht geschlafen vor lauter Bauchweh. Es wurde mager und ganz blaß im Gesicht. Dann hat der Arzt gemeint, wir müssen die Milch wechseln. Es hat aber nichts geholfen. Da wollte sie der Arzt ins Kinderkrankenhaus geben, ich aber wollte das nicht. Ich wollte das Kind bei mir haben. So gab mir ein anderer Arzt den Rat, es mit Buttermilchpulver zu probieren. Wochenlang bin ich mit einer Windel jeden Tag zum Doktor gefahren, aber es wurde nicht besser, bis dann das Buttermilchpulver doch geholfen hat. Ich hab mich geschämt, weil eine Nachbarin zu mir gesagt hat, da schaut schon der Tod aus dem Wagerl.
    Da hat man schon seine Sorgen und keine Ruhe und keinen Schlaf. Doch danach ging’s aufwärts. Jedes kleine Lachen vom Kind war für uns eine große Freude. Später war die Christine ein ganz braves und lustiges Kind.
    Unser drittes Kind hat Jahre danach, wie die Große, auch die Froasen bekommen. Wir mußten die gleichen Ängste ausstehen wie bei der Carola. Es tut einem halt so leid, wenn man so ein armes Kind anschauen muß und nicht helfen kann.

    *

    Bei uns im Dorf gab es viel Lustiges, manchmal auch Trauriges, und ich weiß heute noch Geschichten, die sich die Leute einander erzählten.
    Auf einem kleinen Anwesen wohnten zwei ältere Leute. Der Mann war ein bißchen erfinderisch. So dachte er sich immer wieder etwas aus, was ihm die Arbeit erleichtern konnte. Beim Buttern, dachte er, fällt mir schon auch was ein, daß ich nicht mehr mit der Hand drehen muß. Er sagte, da häng ich den

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