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Herbstmilch

Herbstmilch

Titel: Herbstmilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Wimschneider
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Elektromotor an, dann kann ich in Ruhe meine Pfeife rauchen. So bastelte er an seiner neuen Erfindung. Als es soweit war, füllte seine Frau den Rahm ins Butterfaß und der Mann sagte, heute kannst du mehr Rahm hineingeben, denn heute geht es elektrisch. Damals war der Strom noch eine Seltenheit in unserer Gegend. Als nun alles bereit war, zündete sich der Mann seine Pfeife an, die Frau war inzwischen in den Stall zur Arbeit gegangen. Nun schaltete er den Motor ein. Da ging’s los, aber wie! Im Nu flog der Deckel vom Butterfaß davon, der Rahm spritzte an die Decke und auf den Mann herunter. Da fürchtete er sich, lief aus dem Haus und schaute beim Fenster hinein, wie alles ausgehen würde. Er brauchte nicht lange zu warten, da war der ganze Rahm aus dem Butterfaß herausgeschleudert. Nun erst traute er sich wieder hinein und schaltete den Motor aus. Als seine Frau die Bescherung sah, gab es einen furchtbaren Krach, denn bei all seinen Erfindungen war nie was Brauchbares herausgekommen. Der Mann war überhaupt ein sonderbarer Mensch. Am Hauseingang baute er einen von zwei dicken Säulen getragenen Balkon, der paßte zum Haus wie die Faust aufs Auge, und die Leute sagten spöttisch, das sei das Schloß Lichtenstein, weil er sagte, sein Haus müsse aussehen wie ein Schloß, auch wenn es in schlechtem Zustand sei. Der Name ist dem Haus geblieben.
    Ein Bauer kam ins Wirtshaus und freute sich, weil er heute einmal was Interessantes erzählen konnte. Die anderen Gäste merkten bald, daß er was hinten hatte, und ließen ihn gleich zu Wort kommen. Er sagte, heut gibt’s bei uns noch a Gaudi, heut stirbt noch d’Muada. Den andern schien das nun gar nicht nach einer Gaudi auszusehen, die alte Frau ist in dieser Nacht gestorben.
    Vor kurzem erst haben zwei noch junge Bauersleute ein Futtersilo betoniert. Die Frau war an der Betonmischmaschine, schaufelte Sand und Kies hinein, und der Mann fuhr den Beton weg zur Baustelle. Die Frau war hochschwanger. Plötzlich setzten bei ihr die Wehen ein. Sie sagte zu ihrem Mann, du, ich kann nicht mehr, jetzt kommt das Kind. Der Mann sagte, das geht nicht, jetzt hast du keine Zeit, du mußt warten, bis das Silo fertig betoniert ist. Das Kindlein ließ sich aber nicht aufhalten, und die Frau mußte sich schon die Zeit dazu nehmen.
    Aber auch bei uns ist immer viel passiert, und ich erinnere mich gerne an vieles, was geschehen ist.
    Es ist ein alter Brauch, daß man zu Ostern Eier, Rauchfleisch und ein Lämmlein aus Kuchenteig zur Kirche bringt, und alles das wird nach der Messe geweiht. Es soll die erste Speise sein, die am Ostersonntag gegessen wird. So hatte auch ich mein Körbchen mit diesen Dingen in der Kirche dabei. Neben mir im Kirchenstuhl war ein alter Mann. Der stieß mein Körbchen um, und die Eier kullerten unter der Bank herum. Eilig versuchte ich alle zusammenzuklauben, aber der Alte war schwer von Begriff und trat mit seinen großen Schuhen auf ein Ei. Dann aber sagte er laut, was iss denn? Die Leute schauten her, und ich bekam einen roten Kopf. Das Ei war kaputt, und die Leute hatten was zu lachen.
    Im Herbst haben wir viel Kletzen getrocknet. Jeder Bauer hatte einen eigenen Dörrofen, der Tag und Nacht geheizt wurde. In der Nacht steckte man große Holzstücke in den Ofen und drosselte den Zug, dann ging’s bis zum Morgen nicht aus. Die Wasserbirnen wurden die saftigsten Kletzen. Es verging fast kein Tag auf dem Bauernhof, an dem es nicht Mehlspeisen und Kletzenbrühe gegeben hat. Weckgläser waren noch kaum da. Wenn jemand keinen eigenen Dörrofen hatte oder gerade besonders viel Birnen angefallen sind, so wurden sie im Brotbackofen getrocknet. Wenn da von den Dienstboten jemand hineinkriechen mußte, mußte der oder die beim Auslesen singen, daß im Ofen nicht so viel gegessen werden konnte.
    Früher sind die Küken von den Hennen selbst ausgebrütet worden, und man war froh, wenn man eine gute Kükenmutter hatte. Eine solche hatten wir damals, und sie führte ihre Küken im Hof spazieren.
    Da brachte ich von Verwandten einen kleinen Hund heim. Der Hund, neugierig und ahnungslos, war recht tollpatschig und lief überallhin. Die Katze leckte gerade ihre Milch aus dem Schüsselchen, da kam der Ferri, so hieß der Hund, trat mit seinen großen Pfoten in die Schüssel und kippte die Milch um. Er erschrak fürchterlich und verdrückte sich an die Wand hinter der Tür. Da kam Carola ins Zimmer und stieß die Tür ganz weit auf. Das Hündchen jaulte fürchterlich und machte

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