Herbstmilch
Mund, Hände und Füße mit heiligem Öl gesalbt, das der Bischof geweiht hat, und für viele Kranke ist dies ein Trost. Auch ich habe diese heilige Salbung schon zweimal empfangen, als ich so schwer krank war.
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Jetzt war es viel leerer im Haus geworden. Wir zogen in die obere Stube um, das ist nach altem Brauch das Schlafzimmer für die Hofbesitzer. Wir dachten dabei an unsere Vorgänger und sagten, nun sind wir nachgerückt, aus diesem Raum wird man auch uns einmal als Tote hinaustragen. Da erinnerten wir uns an all die Geschichten, die die Onkel und Tante Lini erzählt hatten, von der Zeit, als sie noch Kinder waren, und wie es ihnen ergangen war.
Ihre Eltern hatten ein Stück Wald gerodet und im Hochholz ein Blockhaus draufgebaut. Acht Kinder waren es, die halb verhungert sind. Eine Bäuerin hat zu ihrer Mutter gesagt, schickt der Herr das Häslein, dann schickt er auch das Gräslein, hat ihr aber nichts gegeben. So hat die Mutter in ihrer Not Haferbrot gebacken, das war so rauh, daß die Kinder beim Essen immer mit dem Kopf nickten, um es hinunterzubringen. Sie waren so unterernährt, daß sich zwei Buben beim Stürzen die Hüften ausrenkten und zeitlebens halbe Krüppel blieben. Darum haben sie auch nicht geheiratet, und die drei Geschwister blieben zusammen.
Sie kamen alle bald zu Bauern in Dienst. Sie erzählten, wie es zu Weihnachten eine Gans als Festessen gab. Der Onkel Otto war Stallbub und hat einen Gänsefuß bekommen, mit einem Darm umwickelt, das war sein Anteil. Trotzdem waren die jungen Leute damals fröhlich und haben auch ihre Streiche gemacht.
Da war ein ganz geiziger Bauer, der hat es sich mit den jungen Burschen verdorben. Dem haben sie in einer Nacht einen schweren Mistwagen in seine Einzelteile zerlegt, ihn auf dem First der Scheune wieder zusammengesetzt und ihn obendrein noch hoch mit Mist beladen. Das war eine Schande damals. Und zum Prangertag, das ist Fronleichnam, da haben sie an die Fenster der Mädchen Birkenbuschen gebunden, das war eine Ehre, aber einer, die es mit jedem trieb, der haben sie in der Nacht vor dem Fest einen großen fahrbaren Odelkübel mit einem Strick ans Fensterkreuz gebunden, das war eine arge Schande. Diese Magd hat das Seil abgeschnitten, als sie am Morgen die Bescherung sah, der Kübel stürzte ab und fiel in alle Teile auseinander, so daß der Bauer auch noch einen mächtigen Krach schlug, weil die Tonne zertrümmert war. Aber einer Witwe haben die Burschen und Mägde in der Nacht das ganze Getreide in der Ernte abgemäht, die Mägde haben die Garben gebunden, und so war der Witwe geholfen.
Die Geschichte vom Waldler Franz und wie er ermordet wurde, haben sie oft erzählt. Der Franz war der Nachbar vom Blockhäusl im Hochholz. Er hatte eine Frau und einen Sohn. Dieser Sohn sollte nun zum Militärdienst einrücken, das waren damals drei Jahre. Die Mutter wollte ihren Sohn davor bewahren, und sie überredete ihn, den Vater zu ermorden. Mit einem Revolver hat der Sohn den Vater im Kuhstall erschossen, und die beiden haben die Leiche unter dem Stroh im Schuppen versteckt. Dann hat die Frau ausgestreut, der Mann sei zu Fuß nach München unterwegs. Darüber hatte nun deren Mutter Zweifel. Nachdem eine Woche vergangen war, erspähte die Wieserin, so hieß die Mutter, daß die Waldlerin und der Sohn nachts im Garten arbeiteten. Am frühen Morgen fuhren sie dann frischen Mist in den Garten und deckten damit eine größere Fläche ab. Das war ungewöhnlich. So nahm die Wieserin in der nächsten Nacht Werkzeug mit, rechte den Mist zur Seite und fand bald die Stelle, wo das Erdreich aufgegraben worden war. Da grub sie nach und fand eine Hand des Ermordeten. Sie machte alles zu und den Mist wieder darüber, damit die Mörder nichts merken sollten. Die Wieserin war auch schon Witwe, ihr Mann war an Gesichtskrebs gestorben. So ging sie selbst zur Polizei, die Gerichtsbeamten kamen, und die halbe Gemeinde lief zusammen. Dann wurde die Leiche ausgegraben und das Mörderpaar verhört. Die Mörderin saß in der Stube, strickte und war ganz ungerührt, derweilen die Leute ans Fenster kamen, sie anspuckten und als Mörderin beschimpften. Der Tote war ein braver Mann gewesen. So wurden beide, Mutter und Sohn, verhaftet und ihr Anwesen versteigert.
Sie erzählten auch die Geschichte von einem reichen Bauern, der schon etwas in den Jahren war, als er ein sehr schönes junges Mädchen heiratete. Das Mädchen weinte bittere Tränen, aber seine Mutter, geblendet von dem
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