Herbstmilch
hatte eine viel zu weite Lederhose an, die er von einem sehr dicken Mann geschenkt bekommen hatte. Alle schauten zu, ob ich mich getraute. Ich begann zu rutschen und rutschte ihm mit den Füßen in die weit abstehende Hose hinein. Automatisch schlang ich die Arme um seinen Hals, wir verloren beide das Gleichgewicht, fielen zu Boden und lagen da in inniger Umarmung. Die Zuschauer konnten vor Lachen kaum ein Wort sagen, der Mann war an die 60 Jahre alt und bedauerte sehr, daß ihm das nicht früher passiert ist.
*
Wir haben zwei Tagwerk Kartoffeln angebaut und viel Rüben fürs Vieh, und wenn es mondhell war, gingen wir noch einmal aufs Feld zum Hacken. In anderen Nächten habe ich das Brot gebacken, immer sechs große Bauernlaibe. Oder ich habe gewaschen, damit ich tagsüber wieder mit meinem Mann bei der Arbeit sein konnte. Ich habe als Haustrunk Bier aus Malz und Hopfen gebraut, weil wir kein Geld hatten, uns Bier zu kaufen. Im Herbst, wenn das Obst an der Reihe war, haben wir zusammen die Weckgläser gefüllt, und es hat immer bis weit nach Mitternacht gedauert, bis ich zur Ruhe kam.
Wenn ich die Kinder zu Bett brachte, habe ich noch eine Weile mit ihnen gespielt, das war ein Lärm und ein Gelächter, daß man es auf der Straße hören konnte. Danach schliefen sie immer glücklich ein.
Wir hatten im Haus einen Kamin, in den der Kaminkehrer hineinsteigen mußte. Bald aber bauten wir einen neuen, das war unsere erste Baumaßnahme. Das ging dann Jahr für Jahr so dahin, bis wir schließlich den ganzen Hof umgebaut hatten. Wenn wir etwas verkaufen konnten, wurde ein Loch gemacht und ein größeres aufgerissen. So war für uns nie Geld da. Manchmal habe ich meinem Mann eine Schachtel Zigaretten gekauft, das hat ihn gefreut.
Langsam besserte sich unsere Lage. Während die Nachbarn auf der Feierabendbank saßen und über uns lachten, ging es endlich aufwärts. Nun wurden sie neidisch, wenn sie den Ertrag sahen. Wir hielten uns Zuchtsauen, damit wir die Ferkel nicht kaufen mußten, und haben mancherlei Lehrgeld bezahlt. Dann haben wir einen modernen Stall für sie gebaut, und als einige Nachbarn ihn besichtigten, da waren 70 Schweine drinnen. Da waren sie ganz erschrocken, denn wir hatten mehr als sie.
Nun brauchten wir auch einen neuen Rinderstall. Der alte wurde abgebrochen und ein größerer gebaut, so daß er nicht mehr im Wohnhaus war wie früher. Wir hatten jetzt viel Schulden und mußten jährlich zwei Raten bezahlen. Erst haben wir aus unseren Erlösen die Raten bezahlt, dann Futter und Düngemittel gekauft, damit der Ertrag immer höher wurde. Waren die Schulden bezahlt, wurden schon wieder neue gemacht, und die steigenden Preise machten das fast wieder wett, was wir neu erspart hatten.
Inzwischen hatten wir auch ein Pferd zu unserem Ochsen dazugekauft. Das Pferd konnte die Heumaschine ziehen und manches schneller machen als der Ochse. Aber mein Plan war auf einen Schlepper gerichtet. Einmal beim Melken, nun hatten wir schon zwölf Kühe, habe ich meinem Mann von diesem Plan erzählt. Da wurde er zornig, aber ich habe ihn überzeugt, daß wir den Schlepper bezahlen können.
Im nächsten Frühjahr haben wir den neuen 12 PS Schlepper mit den Anbaugeräten bekommen. Den hat ein Nachbar in den ersten Wochen gar nicht sehen wollen, obwohl wir auf der Wiese gegenüber arbeiteten.
Es war noch während des Krieges gewesen, als ich mich mit den Ochsen auf der Wiese abmühte und dieser Nachbar mir gegenüber mit zwei Pferden bei der Arbeit war. Er ging stolz neben seinen Pferden her und hat mich ausgelacht. Da hab ich eine Wut bekommen und gewünscht, ihm sollen die Pferde durchgehen, und im nächsten Augenblick setzten sie tatsächlich zum Sprung an und rasten auf seinen Hof zu. Die Egge, die sie mitschleiften, blieb an einem Zwetschgenbaum hängen, der Baum wurde umgerissen, und die Pferde jagten in den Hof. Da hörte man seine Leute schreien, und als die Pferde eingefangen waren, da war auch ihr Geschirr zerrissen, und an dem Tag kam der Nachbar nicht mehr zur Arbeit heraus.
Aber bei uns war nicht nur der Fortschritt eingekehrt. Der Tierarzt hat oft kommen müssen, denn mit dem Glück im Stall waren wir nicht besonders gesegnet. Jeden Abend vor dem Schlafengehen schaute mein Mann noch nach beim Vieh, ob alles in Ordnung sei, und doch gab es Tage, an denen wir voller Angst uns fragten, was wird heut schon wieder für ein Unglück auf uns warten. Sogar der Tierarzt sagte, so wie bei uns sei es selten.
Einmal
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