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Herbstmilch

Herbstmilch

Titel: Herbstmilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Wimschneider
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kam der Vater mit seinem Sohn, und sie wußten keinen Rat, obwohl die beiden sehr gute Tierärzte waren. Nun mußten wir wertvolle Kühe schlachten, an einem Tag zwei auf einmal, und die Ursache ihrer Krankheit blieb unbekannt. Da waren wir sehr niedergeschlagen. Am nächsten Tag war die Zuchtsau mit zwölf Ferkeln krank und gab für die Kleinen keine Milch mehr. Da kamen die Ferkel in Lebensgefahr, und es gab Sorgen mehr als genug.
    Unsere Freude waren aber die Kinder, die bis heute nicht vergessen haben, wie wir mit ihnen fröhlich waren. Mein Mann hat immer wieder die Bremer Stadtmusikanten spielen müssen. Er hat allein den Gockel, die Katze, den Hund und den Esel gespielt, und die Kinder waren die Räuber. Das war am Abend in der halbdunklen Stube so spannend, daß das Spiel bald wiederholt werden mußte. Die Christine hatte einen Stoffbären, der war ihr Lieblingsspielzeug. An den Tatzen war er schon arg abgenutzt, und mein Mann erzählte den Kindern, daß der Bär um Mitternacht lebendig wird und umherstreift, darum seien die Tatzen so abgenutzt. Und für sie war er auch lebendig. Die Kinder wurden größer, und besonders Carola, die älteste, mußte schon viel mithelfen bei der Arbeit.
    Den Schulweg mußten die Kinder damals noch zu Fuß machen, und die Nachbarskinder schlugen die Christine oft auf dem Weg, weil sie in der Schule besser war als sie. Sogar ein hinkender Nachbar verspottete das Kind immer, weil es nicht so schön angezogen war.
    Unsere Arbeit in all den Jahren trug dann doch Früchte. Die eine Hälfte unseres Hauses, in der einmal der Kuhstall war, war abgerissen und neu als Wohnteil ausgebaut worden. Das war für die Nachbarn ein solches Ärgernis, daß sie nicht mehr am Haus vorbeigingen, sondern einen Bogen drum machten, damit sie es nicht anschauen mußten.
    Mein Mann hatte nach dem Krieg keine Rente beantragt, weil damals ein solches Elend war, und er war zufrieden, daß er gesundheitlich noch so gut weggekommen war. Aber nun ging das Gerede, wir könnten ja leicht bauen, mit der großen Kriegsrente. Da habe ich meinem Mann so zugesetzt, daß er die Rente dann wirklich beantragt hat, und er hat sie auch ohne weiteres bekommen. Wenn er auch auf die zurückliegenden Jahre verzichtet hatte, spürten wir nun doch, was so eine zusätzliche Einnahme wert ist.

    *

    Als das erste Weihnachtsfest nach unserer Hochzeit kam, da war mein Mann bereits am Westwall und hat mir einen langen Brief geschrieben. Es ging damals recht still zu, und mit meiner Schwiegermutter kam ohnehin keine Weihnachtsstimmung auf. Einen Christbaum hatten die alten Leute nicht für nötig gehalten, so war es für mich eher ein trauriger Tag.
    Nach dem Krieg gab es das erste schöne Weihnachten mit einem Christbaum, mit Kerzen und Glaskugeln. Unser erstes Kind, die Carola, war vier Jahre alt und konnte es kaum erwarten, bis sich die Tür zur Stube öffnete, wo das Christkind den Baum hergerichtet hatte. Doch was sie sah, übertraf ihre Vorstellungen, mitten im Lauf blieb sie wie angewurzelt stehen, und ich hatte Tränen in den Augen.
    Nun wurde Weihnachten immer sehr schön gefeiert, unsere Flüchtlinge waren auch dabei, es kam ja nicht auf die Geschenke an. Mein Mann bekam einen Rasierpinsel von mir, der Onkel Schnupftabak, und wir haben uns einige Flaschen Bier und ein Pfund Aufschnitt geleistet. Im übrigen wußten wir in den ersten zehn Jahren gar nicht, was Bier kostet, wir haben sonst nie eins gekauft. Daß einer täglich sich nach Feierabend ein Bier leistete, das war schon allerhand.
    Mein Mann hatte eine hölzerne Mistkarre, ein Klump, und da habe ich heimlich vom Eiergeld gespart und unter den Christbaum eine gummibereifte eiserne Schubkarre hingestellt, so etwas gab es damals noch ganz selten. Das hat ihn mehr gefreut als alles vorher und nachher, und noch heute ist die Karre in Betrieb, obwohl schon dreimal eine neue Wanne auf sie draufkam. Auch Zigaretten hab ich ihm gekauft, ich hab es gern gehabt, wenn er geraucht hat.
    Ein anderes Mal, als wir schon den Traktor hatten, habe ich schon den ganzen Sommer über gespart, und dann lag unter dem Christbaum ein Säckchen, das war sehr schwer, und was war drinnen? Zwei Schneeketten für den Schlepper, denn meinem Mann waren die immer zu teuer, und nun bekam er sie geschenkt.
    Er hat auch mir viele Dinge geschenkt, da war er nicht kleinlich, und ich war immer die Unterlegene, weil er mehr Geld hatte.
    Wie wir geheiratet haben, da hab ich einen Stoff gekauft und mir meine

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