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Herbsttagebuch: Roman (German Edition)

Herbsttagebuch: Roman (German Edition)

Titel: Herbsttagebuch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Hohlfeld
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fühlt.
    Irgendetwas muss also über sie hereingebrochen sein. Eine
plötzliche Krankheit? Oder gar ein Mord? Es ist durchaus denkbar, dass Friedrich
Augusta umgebracht hat. Immerhin besteht kein Zweifel daran, dass er nichts für
sie empfand, dass er sie nur wegen ihres Vermögens heiraten wollte und dass ihm
das auch gelungen ist.
    Ein schrecklicher Gedanke kommt mir. Was ist, wenn sie sich
selbst umgebracht hat? Die letzten Seiten ihres Tagebuchs ließen jedenfalls nicht
Gutes ahnen für die Zeit nach der Eheschließung. Friedrich wird sie schlecht behandelt,
gedemütigt, vielleicht sogar vergewaltigt haben.
    Diesen Gedanken
verwerfe ich schnell wieder, denn Selbstmord passt nicht zu Augusta und ihrem unerschütterlichen
Glauben an den Sieg des Guten.
    Was ist
eigentlich aus Wendelin geworden? Haben sie sich in jener Nacht am Pferdestall getroffen?
Und warum hat er seine geliebte Augusta nicht mitgenommen, sondern sie ihrem Schicksal
überlassen?
    Ich google
nun seinen Namen. Und tatsächlich. Es gibt ein paar Treffer, unter anderem einen
kurzen Eintrag bei Wikipedia, wo ich erfahre, dass er in Berlin geboren wurde, ein
angesehener Botaniker war und mit 70 Jahren in Namibia, dem früheren Deutsch-Südwestafrika,
starb.
    Um so viele
Jahre hat er Augusta überlebt. Ob er jemals geheiratet hat? Darüber verrät das allwissende
Internet nichts.
    Ich vermute,
wenn nicht ein Wunder geschieht, werde ich wohl keines der vielen Geheimnisse um
Augusta aufdecken. Wie schade und … wie unbefriedigend.
    »Was machst
du?«
    »Leo!«
    Ich fliege
in die Arme meines Geliebten. Endlich ist er da, wo er sein soll. Bei mir.
    Neugierig
betrachtet er das Tagebuch und fragt, was es damit auf sich hat. Ich erzähle es
ihm, doch allzu weit komme ich nicht, denn während ich rede, zieht er mir meinen
Pullover über den Kopf. Während ein Kleidungsstück nach dem anderen auf dem Fußboden
landet, vergesse ich Augusta, vergesse ich alles, was mich bedrückt und traurig
macht und lasse mich einfach fallen.
    In dieser
Nacht ist mein gedankenschwerer Kopf gnädig. Er gestattet mir, alle Sorgen für eine
Weile zu vergessen und wunderbar tief und fest in den Armen meines geliebten Leo
zu schlafen.
    Am Morgen
fahren wir zusammen zur Arbeit. Als wir am Theater aus seinem Auto steigen, werden
wir aus einer Touristengruppe heraus fotografiert. Kein Wunder, am Potsdamer Platz
ist schon wieder die Hölle los. Hier herrscht fast rund um die Uhr ein Riesentrubel.
Was mich am Anfang noch gestört hat, gefällt mir jetzt. Die vielen Stadtrundfahrten-Busse.
Die Schlange vor dem Legoland, die stets rappelvollen Cafés und Restaurants. Das
ist Leben!
    »Können
wir heute Mittag irgendwo draußen essen?«, frage ich Leo und küsse ihn kurz. »Nur
wir zwei?«
    »Warum nicht?«,
nickt er.
    Heute Abend
ist das Treffen mit Basti. Es wird schwer werden, ihn wiederzusehen und ihm zu sagen,
was in den letzten Tagen alles passiert ist. Ich habe keine Ahnung, wie ich das
anstellen soll, ohne ihn mehr als nötig zu verletzen. Aber ich muss ihm reinen
Wein einschenken. Das bin ich ihm schuldig.
    Ist das wirklich die richtige Entscheidung? Leo und ich?
Und ist es überhaupt eine Entscheidung ? Oder bin ich da nur so hineingeschlittert?
    Ich weiß es nicht, und ich werde es auch nie erfahren, wenn
ich nicht endlich bereit bin, mal aufs Ganze zu gehen.
    Also gut, ich bin bereit! Keine halben Sachen mehr!
    Grübelnd
gehe ich Richtung Werkstatt. Da piept mein Handy. Eine SMS.
    ›Kann heute
erst eine Stunde später. Ist das in Ordnung? Basti‹
    »Dieser
Mann ist der notorischste Zuspätkommer unter der Sonne«, flüstere ich und tippe
lächelnd ›okay‹ in die Tasten.
    Ach, Basti.
Du fehlst mir jetzt schon!
    Es hat ja
auch keiner gesagt, dass es nicht weh tut, ganze Sachen zu machen.
    Als ich
seufzend mein Handy wegstecke, höre ich meine Kolleginnen in der Werkstatt miteinander
quatschen. Ich lächle. Wir haben unterdessen zwei Schneiderinnen mehr und seit Marlene
sich einigermaßen an mich gewöhnt hat, ist es richtig lustig bei uns. Gerade will
ich eintreten, da höre ich Maja, eine der Neuen, sagen: »Und sie vögelt echt mit
ihm?«
    »Was denkst
du denn?«, antwortet Marlene.
    »Was dieser
Traumtyp an Rosa findet, ist mir schleierhaft. Was hat die, was wir nicht haben?«
    »Ungeahnte
Qualitäten vielleicht«, sagt Andrea, die zweite Neue.
    »Wüsste
nicht, was euch das angeht«, höre ich Tina sagen.
    »Wieso nicht?«,
widerspricht Marlene. »Unsere beiden

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