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Herbstwald

Herbstwald

Titel: Herbstwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Guzewicz
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bezeichnet hatte, obwohl er immer noch dieser Meinung war.
    »Sie halten mich für ein unreifes Gör, das hier nichts zu suchen hat, oder? Geh spielen, während die Erwachsenen sich unterhalten.«
    Er reagierte nicht auf das, was sie sagte, aber das schien sie nur noch mehr zu provozieren. Zwei Psychologen, die miteinander wegen einer Lappalie streiten, dachte er und unterdrückte dabei ein Lächeln, das jetzt völlig unpassend gewesen wäre.
    »Ich war Jahrgangsbeste. Mir fehlt vielleicht die Erfahrung, die Sie sicher haben, aber menschlich sind Sie dafür eine Katastrophe.« Sie war mit jedem Wort lauter und schriller geworden, bis sie das letzte Wort beinahe schon schrie.
    »Sagen Sie das, weil Sie unbedingt an Ihrer Idee festhalten müssen?«
    »Damit kommen Sie nicht klar, oder?« Landhäusers Stimme wurde wieder ruhiger. Die Beamten um sie herum verdrehten nicht mehr ihre Hälse nach ihnen.
    Davídsson überlegte, ob sich ihre Aussage auf die Tatsache bezog, dass sie Jahrgangsbeste war, oder ob es ihr immer noch um die Idee ging, die sie so vehement verteidigte.
    »Es war nur eine fachliche Einschätzung«, antwortete er schließlich, ohne zu einem Ergebnis zu kommen. Sie hatten seinen Chrysler erreicht und er konnte einsteigen, ohne noch ein weiteres Wort an sie verlieren zu müssen.
    Im Rückspiegel sah er, wie sie das Parkhaus zu Fuß verließ. Es regnete noch immer und er entschied sich dazu, noch nicht zum Hotel zu fahren, um ihr nicht gleich wieder über den Weg zu laufen. Stattdessen suchte er in der Stadt nach einem Restaurant, das einheimische Küche bot. Als er keines fand, entschied er sich für die Fuggerei-Stube. Er bestellte sich Käsespätzle mit geschmelzten Zwiebeln und einem bunten Salat. Als das Essen endlich kam, klingelte sein Handy. Es war Wittkampf.
    »Ich weiß, dass es Ihnen schwer fällt, mit anderen zusammenzuarbeiten«, begrüßte ihn sein Chef. Lilian Landhäuser hatte sich also über ihn beschwert.
    »Ich bekomme das hin.« Davídsson schob den Teller beiseite und verschüttete dabei etwas von dem Bier, das er zum Glück schon fast ausgetrunken hatte. Unter seinem Tisch bildete sich eine klebrige Pfütze und der Teller stand in einer Weißbierlache. Die Kellnerin kam angerannt und half ihm dabei, die Sauerei mit Servietten wegzuwischen.
    »Gibt es schon einen Verdächtigen?«, fragte Wittkampf, der von alldem nichts mitbekommen hatte.
    »Wir arbeiten daran.«
    »Gut. Tun Sie das zusammen.«

12
    D avídsson sah sich zum wiederholten Mal die Gesprächsnotiz aus der Akte des Sozialamtes an. Er versuchte damit, die Erinnerungen an den Rest des Tages zu verdrängen.
    Der Mitarbeiter, der den Vermerk gemacht hatte, um sich abzusichern, weil ihm die Anweisung nicht schmeckte, die er da telefonisch bekommen hatte, war immer noch ein Unbekannter für sie.
    Er hatte das Symbol lange betrachtet und war schließlich auf den halbrunden Balkon getreten, nachdem er alle Lichter in seinem Hotelzimmer ausgeschaltet hatte. Die Stadt unter ihm kam langsam zur Ruhe.
    Er spürte, wie es in seinem Gesicht kälter wurde und die klare Luft durch seine Lungen strömte.
    Der Wittelsbacher Park lag in der Dunkelheit verborgen, aber dafür hörte er jetzt die Wasserfontäne, die gut zehn Meter aus dem künstlichen See in die Höhe schoss und im Sommer für ein angenehmeres Klima im danebenliegenden Biergarten sorgte. Bei Tageslicht überlagerten die Geräusche der Stadt das angenehme Rauschen, das jetzt beinahe einschläfernd auf ihn wirkte.
    Das Symbol war eindeutig ein Kreuz.
    Ein griechisches Kreuz hatte dem Beamten die Anweisung gegeben, den Fall Catharina Aigner nicht länger zu prüfen und damit die Aufnahme in der Fuggerei zu verzögern. Die Person, die hinter dem Kreuz steckte, musste über Einfluss verfügen.
    Das griechische Kreuz muss die Macht dazu haben, eine solche Anordnung zu geben, dachte Ólafur Davídsson. Die Macht, über dem Gesetz zu stehen.
    Der Kriminalanalyst hatte in der Ermittlungsakte die Inventarliste aus Catharina Aigners Wohnung nach einer Geburtsurkunde durchsucht, aber keinen Hinweis darauf gefunden. In ihrer ganzen Wohnung gab es keinen Hinweis auf ihre Herkunft – kein Papierstück, das auf eine Vergangenheit hindeutete.
    Es war, als sei sie überhaupt nicht geboren worden. Eine Art damnatio memoriae – eine Verdammung des Andenkens an Catharina Aigner. Er hatte davon gelesen, dass es im Römischen Reich üblich war, alle Erinnerungen an verhasste Personen auszulöschen.

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