Herbstwald
dir.«
Ólafur Davídsson beendete das Gespräch und klingelte nun selbst an der Wache. Als ihm geöffnet wurde, zeigte er kurz seinen Dienstausweis und beeilte sich, an dem Kind vorbeizukommen, das immer noch wie am Spieß schrie. Die hoffnungslos überforderte Mutter wurde von zwei uniformierten Polizistinnen betreut, während eine Dritte versuchte, das Kind zu beruhigen.
In Hofbauers Büro saß mittlerweile Dr. Markus Schubert auf seinem Platz am Fenster, und so blieb Davídsson direkt neben der Tür stehen.
»Wir haben mit dem Autopsiebericht auf Sie gewartet«, sagte Hofbauer.
Davídsson nickte zum Dank in die Runde.
»Ich habe einen Veterinärmediziner hinzugezogen, da mir das Fachwissen an manchen Stellen fehlt. Eigentlich ist es daher auch keine richtige gerichtsmedizinische Leichenschau, sondern nur eine schlichte Untersuchung. Aber nun zu den Ergebnissen. Das Tier, ein Japan Chin, wird vom FCI als japanischer Spaniel oder Pekinese klassifiziert, der als Gesellschafts- und Begleithund gehalten werden kann.«
»FCI?« Landhäuser lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. Sie notierte wieder stichpunktartig mit.
»Fédération Cynologique Internationale. Dahinter steckt der weltweit größte kynologische Dachverband, und als solcher gibt er unter anderem Rassebeschreibungen heraus, bildet Zuchtrichter und Leistungsrichter aus und erstellt Ahnentafeln, sogenannte Pedigrees.« Schubert verteilte Kopien seines Berichtes an die Anwesenden.
»Vielleicht interessiert Sie die Geschichte des Japan Chin für Ihre Ermittlungen. Alten Aufzeichnungen zufolge sind die Vorfahren des Chin 732 als Geschenk des koreanischen Herrschers an den japanischen Hof gelangt. Im Laufe des nächsten Jahrhunderts folgten weitere, bis die Rasse unter Shogun – ich hoffe, ich spreche das jetzt richtig aus – Tsunayoshi Tokugawa zu einem kleinen Schoßhund von Schloss Edo aufgewertet wurde. Zwei Chins wurden später der englischen Königin Viktoria geschenkt. Über England kam der Hund dann auch nach Amerika und ab 1868 gehörte der Chin zu den bevorzugten Schoßhunden der hohen Gesellschaft. Heute ist er jedoch ein weitverbreiteter Haushund und damit völlig gewöhnlich.«
Er legte eine kurze Pause ein, bevor er weiterredete.
»Beim Japan Chin handelt es sich um einen kleinen, eleganten und sehr graziösen Hund, der ein dichtes schwarz-weißes Fell und einen breiten Gesichtsschädel aufweist. Vor allem wegen seiner großen, runden, weit auseinanderliegenden, schwarz glänzenden Augen ist er bei Kindern sehr beliebt.«
»Und wann ist der Köter gestorben?«, fragte Hofbauer.
»Zunächst ist vielleicht das wie interessanter. In seinem Blut haben wir nämlich eine ähnliche Konzentration an Kokain gefunden wie bei Catharina Aigner.«
Lilian Landhäuser pfiff hörbar durch die Zähne und brachte damit zum Ausdruck, was alle in diesem Moment dachten.
»Die Einstichstelle habe ich wegen des hohen Verwesungsgrades der Hundeleiche nicht mehr finden können, aber der Todeszeitpunkt stimmt in etwa mit dem Eintritt des Todes bei Catharina Aigner überein. Genau kann ich das nicht mehr sagen, da der Hund einfach zu lange im Wasser war.«
»Dann wird das Tier also, so wie vermutet, im Schwimmbalken der Stadtwerke hängen geblieben sein, bevor es dann vier Tage später in dieser Rechenanlage vom MAN-Werkschutz gefunden wurde.« Landhäuser blätterte in ihren Notizen ein paar Seiten zurück. »Der Chin könnte damit also tatsächlich hinter der Fuggerei in den Sparrenlech geworfen worden sein, kurz bevor oder kurz nachdem Catharina Aigner ermordet wurde.«
»Eine Sache stört mich dabei aber noch«, sagte Ólafur Davídsson. »Der Gedanke ist mir gekommen, als ich hinter dem Ochsentor auf der Brücke über dem Sparrenlech stand. Der Hund ist hinter dem Haus von Catharina Aigner ins Wasser geworfen worden, während die Haustür vorne, in der Fuggerei, offen stand. Nach hinten hat das Haus keinen Ausgang. Warum hat der Täter also erst vorne die Tür geöffnet und ist dann doch Richtung Sparrenlech aus dem Haus geflohen?«
»Und andersrum?«
»Sie meinen, dass der Täter erst vorne ins Haus eingedrungen ist, die Tür offen gelassen hat, während er Catharina Aigner ermordet hat, um anschließend den Hund in den Bach zu werfen?«
»Das hört sich ziemlich unwahrscheinlich an«, gab Hofbauer zu bedenken.
»Ist auf dieser Seite der Fuggerei nicht der Nachteingang?«, fragte jetzt Kriminalkommissar Schedl.
»Ja, das Ochsentor. Ich habe mit der
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