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Herbstwald

Herbstwald

Titel: Herbstwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Guzewicz
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ermittelt und kann dir hoffentlich wesentlich mehr über den eigentlichen Fall sagen.«
    Davídsson nahm sich den dünnen Aktenband. Auf dem grauen Karton las er zum ersten Mal den richtigen Namen der jungen Frau, die er nur als Catharina Aigner kannte.
    Lea Schirmer-Lunz.
    »Sie hat sich über ihren neuen Namen gefreut«, sagte Wagner mit einem Lächeln auf den Lippen. »Schirmer-Lunz war nicht gerade der Name, der zu ihr gepasst hat. So ein hübsches junges Mädchen und so ein verstaubter altmodischer Name. Damit bekommt man bestimmt keine Typen rum.«
    »Sie hieß wie der bayerische Innenminister.«
    »Das ist ihr Vater.« Joseph Wagner sah ihn kurz an, konzentrierte sich dann aber wieder auf den dichten Verkehr auf der Autobahn Richtung Stadtmitte.
    »Moment. Der Vater des Opfers ist der bayerische Innenminister?« Dem Kriminalanalysten wurde sofort klar, warum der Innenminister auf der Beerdigung erschienen war. Die ganze Zeit über hatte er über diese äußerst ungewöhnliche Aktion nachgedacht, aber keine Idee gehabt, wie man das vernünftig erklären konnte.
    »Jetzt ja. Ich wollte dir das lieber persönlich sagen, als ich das gelesen habe. Ich habe vor vier Jahren nicht persönlich an dem Fall mitgearbeitet. Das hat mein Kollege gemacht, und der ist mittlerweile im Ruhestand. Zunächst konnte mir keiner etwas darüber sagen, weil sie zuletzt von den Kollegen aus Bayern betreut wurde.«
    Ólafur Davídsson schlug den grauen Karton auf und überflog die ersten Zeilen auf dem Papier.
    »In Wirklichkeit war sie zwei Jahre älter«, stellte er erstaunt fest.
    »Das gehört zur Standardprozedur. Entweder machen wir sie jünger oder älter. Sonst könnte man sie vielleicht anhand des Geburtsdatums finden, und das ist uns zu gefährlich. Tag und Monat stimmen vermutlich auch nicht mit dem überein, was du dir in deine Fallakte geschrieben hast. Ändert das etwas an deinem Profil?«
    »Äh, nein.«
    »Mein Kollege hat irgendwo eine Aktennotiz gemacht, dass der Vater darauf bestanden hat, dass sie in Bayern wohnen bleibt. Steht weiter hinten. Der Kollege hat damals geglaubt, dass die Fuggerei das perfekte Versteck für sie ist. Es gab ja auch nicht viele Möglichkeiten für einen unauffälligen Neuanfang, wenn man auf Bayern beschränkt war.«
    »Läuft das immer so ab bei euch?«
    »Wie?«
    »Wünsch dir was.«
    »Schirmer-Lunz war damals gerade ein halbes Jahr Innenminister. Vermutlich ging das Ganze nicht ohne Druck von oben und mein Kollege wollte sich so kurz vor der Pensionierung nicht mehr mit seinen Vorgesetzten anlegen.«
    »Aber es gab doch eine Kontaktsperre, oder?«
    »Wenn der werte Herr Innenminister seine Tochter geliebt hat, wird er nicht versucht haben, sich darüber hinwegzusetzen.«
    »Nein.« Wagner überholte einen langsamen Mittelspurfahrer. Es war ein älterer Mann, der sich nicht auf die freie Spur traute. Joseph Wagner blinkte kurz rechts, aber der Mann reagierte nicht.
    Davídsson ignorierte das Ganze. Er mochte stoische Mittelspurfahrer genauso wenig wie diejenigen, die meinten, andere belehren zu müssen.
    »Eigentlich sollten die Verwandten überhaupt nicht gewusst haben, wo Lea Schirmer-Lunz hingebracht worden ist. Nicht einmal ihr neuer Name sollte ihnen bekannt gewesen sein«, nahm Wagner das Gespräch wieder auf.
    »Offenbar war das in diesem Fall anders. Ihr Vater war vor ein paar Stunden auf ihrer Beerdigung. Er hat sie bezahlt und dafür gesorgt, dass sie in München und in einem würdigen Rahmen stattfand.«
    »Davon steht aber nichts in der Akte. Also, ich meine nicht die Beerdigung, sondern den Namen, der ihm bekannt gegeben wurde. Oder besser gesagt, nicht bekannt gegeben wurde.«
    »Er wusste es von Anfang an«, sagte Davídsson mehr zu sich als zu Joseph Wagner. Ihm war gerade klar geworden, warum er für diesen Fall angefordert worden war und welchen Weg diese Anforderung genommen hatte – von Innenminister zu Innenminister und von Parteifreund zu Parteifreund.
    »Ich muss mit deinem ehemaligen Kollegen sprechen, wenn ich hier fertig bin.«
    »Das habe ich mir schon gedacht.« Wagner bog in die Polizeimeister-Kaspar-Straße ein. Sie hatten damit den rechteckigen Neubaukomplex umfahren, um durch eine enge Durchfahrt auf der Rückseite in einen von acht Innenhöfen zu gelangen.
    »Otto Kaspar hat im Dritten Reich eine jüdische Familie vor der Deportation gerettet, indem er ihre Meldekarte gefälscht hat – von ›mosaisch‹ in ›Dissident‹. Deshalb heißt die Straße

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