Herbstwald
Ruhestätte von Catharina Aigner war erstaunlich reich geschmückt. Mehrere Kränze waren links und rechts auf den Weg zu der Grabstelle gestellt worden und einige Gestecke standen vor einem Holzkreuz mit dem Namen der Toten. Auf den Schleifen standen keine Namen, aber sie konnten unmöglich alle vom Freistaat Bayern finanziert worden sein.
Der Sarg wurde langsam in die dunkle Erde gelassen.
Der Pfarrer nahm ein paar Rosenblütenblätter und warf sie in das Loch, dann folgten Rico und Hofbauer, der Innenminister und schließlich die beiden Kriminalanalysten. Die Kollegen vom Landeskriminalamt kamen nicht zu der Grabstelle. Sie hatten sich teilweise als Gärtner getarnt. Andere waren einfach nur Friedhofsbesucher. Davídsson hatte eine Frau beobachtet, die die ganze Zeit über an einem ordentlichen Grab herumzupfte. Die roten Herbstblumen waren so gepflegt, dass die Kollegin Mühe damit hatte, ein paar braune Blätter zu finden.
Jetzt, da die Beerdigung von Catharina Aigner vorüber war, hatte sie damit urplötzlich aufgehört und kam zu Hofbauer und Schedl.
»Im ganzen Grabfeld gab es heute Vormittag noch keine Besucher«, sagte sie in dem Moment, als Landhäuser gerade zu der Gruppe stieß. »Die ganze Sache war eine dumme Idee«, fuhr sie fort, ohne zu wissen, dass sie von Lilian Landhäuser stammte.
»Wir bleiben noch bis fünfzehn Uhr hier. Vielleicht tut sich ja noch etwas«, versuchte Schedl das Gesagte zu relativieren.
Der Wind frischte mit einem Mal auf und fegte über das gesamte Gelände. Als die ersten Regentropfen fielen, löste sich die Gruppe wieder auf.
Der Innenminister verabschiedete sich von allen, bevor er als Erster ging. Ricardo Gollas verließ den Friedhof in die gleiche Richtung.
Nachdem Ólafur Davídsson in Hofbauers Auto saß, sah er auf sein Handy und entdeckte dabei einen unbeantworteten Anruf ohne Rufnummernübermittlung.
»Ich fahre mit der Bahn zum LKA«, sagte er und verließ das Auto ohne weiteren Kommentar.
Als Hofbauer den Wagen gestartet hatte, war Davídsson bereits an der Gefängnismauer der Justizvollzugsanstalt Stadelheim entlanggegangen und hatte sich unter einem der Wachtürme untergestellt, um sich vor dem Regen zu schützen. Das Gefängnis war direkt neben dem Friedhof gelegen, und das war nicht ohne Grund so. Die hingerichteten Gefangenen im Dritten Reich konnten so schnell und unauffällig beerdigt werden. Sophie Scholl war eine von ihnen gewesen.
Davídsson wählte die Nummer von Joseph Wagner, der sich sofort nach dem ersten Klingeln meldete.
»Ich konnte das Gespräch gerade nicht annehmen«, begrüßte ihn Davídsson. »Hast du was für mich?«
»Ja.«
»Sie war also im Zeugenschutzprogramm?«
»Mhm.«
»Und?«
»Das sollten wir nicht am Telefon besprechen.«
»Gut.«
»Wo bist du gerade?«
»In München.«
»Wie schnell kannst du in Frankfurt sein?«
»Ich habe den Fahrplan nicht im Kopf. Vielleicht in vier Stunden.«
»Nimm lieber den Flieger. Ich hole dich direkt auf der Parkposition der Maschine ab. Ich brauche nur die Flugnummer, wenn du sie hast, und steig nicht in den Bus, wenn der Flieger auf einer Außenposition stehen bleibt.«
Zwei Stunden später landete die Lufthansamaschine auf dem Frankfurter Flughafen.
Davídsson war in der kleinen Propellermaschine neben einem Mann gesessen, der ihn von Anfang an ziemlich genervt hatte. Alleine sein auffälliger anthrazitfarbener Seidenanzug und die protzige Sonnenbrille weckten bei ihm schon eine gewisse Abneigung gegen den Mann, der bis zum Ende der Sicherheitshinweise ein wichtiges Telefongespräch führte. Selbst die Stewardess hatte ihn nicht davon abhalten können, ständig mit zusammenhanglos dahergesagten englischen Worten seine Umwelt zu beeindrucken.
Nachdem sie gelandet waren, hatte der Mann sofort wieder sein Schickimicki-Handy hervorgeholt, um weiterzutelefonieren. Erst als Davídsson in die dunkle Limousine auf dem Flughafenvorfeld stieg, endete das Gespräch abrupt und Ólafur Davídsson konnte aus den Augenwinkeln mitverfolgen, wie er beinahe neidisch von dem stylischen Yuppie angegafft wurde.
»Und, wie war der Flug?« Joseph Wagner steuerte den Wagen vom Vorfeld und fuhr dann parallel zum Terminal.
»Kurz und gut.«
»Die Akte liegt auf dem Rücksitz. Versprich dir aber nicht zu viel davon. Du weißt ja, wir trennen strikt zwischen dem eigentlichen Fall und unserer Arbeit. Ich fahre dich zum Polizeipräsidium. Dein Ansprechpartner dort heißt Michael Knaf. Er hat damals
Weitere Kostenlose Bücher