Herbstwald
erläuterte der Leiter des Landeskriminalamtes die Methode der Zahlenerhebung und der Chef des Verfassungsschutzes sagte etwas zu den Dunkelziffern bei extremistischen Straftaten.
Anschließend konnten die anwesenden Journalisten Fragen stellen.
Die stilvoll gekleidete Reporterin vom Bayerischen Rundfunk stellte die erste Frage zu den Drogentoten, die offenbar in einigen Gemeinden stark gestiegen waren, obwohl insgesamt die Anzahl rückläufig war.
Eine gute Stunde später war die Pressekonferenz vorüber und die Reporterin vom Bayerischen Rundfunk erhielt ein Exklusivinterview mit dem Minister, während die meisten Journalisten ihre Sachen einpackten und langsam den Raum verließen.
Davídsson positionierte sich direkt neben dem einzigen Ausgang. Als auch das Interview fertig war und der Innenminister den Raum verlassen wollte, ergriff Davídsson die Gelegenheit, Schirmer-Lunz anzusprechen.
»Herr Minister, darf ich Sie einen Augenblick sprechen? Es ist wichtig.« Davídsson war bemüht, sich die Aufregung nicht anmerken zu lassen. Es war weniger die Tatsache, dass er eigentlich nicht mit dem Innenminister sprechen sollte, als der Umstand, dass es möglicherweise die letzte Gelegenheit dazu war, die ihm Sorgen bereitete. Am Nachmittag würde ihm Wittkampf eine offizielle Weisung erteilen, nicht mit dem bayerischen Innenminister zu sprechen.
»Sie waren auf der Beerdigung.«
Davídsson nickte. »Darum geht es.«
»Gut, kommen Sie mit in mein Büro.«
Sie nahmen an einem rotbraunen ovalen Tisch Platz, auf dem Konferenzgetränke für Besucher bereitstanden. Der Innenminister hatte sich an das Kopfende gesetzt und Davídsson nahm direkt daneben auf einem Ledersessel mit hoher Rückenlehne Platz.
»Wie weit sind Sie mit Ihren Ermittlungen?«, fragte Schirmer-Lunz und übernahm damit die Gesprächsführung.
»Alles deutet auf einen Racheakt des Yamaguchi-gumi hin.« Davídsson konnte auch jetzt keine Gefühlsregung in den Augen des Innenministers erkennen. Es war immer noch der gleiche regungslose Gesichtsausdruck wie auf der Beerdigung.
»Ich wollte nicht, dass meine Tochter gegen diesen Verbrecher aussagt.«
»Ja.« Davídsson spürte, dass noch mehr kommen würde.
»Sie hat mir vorgeworfen, dass ich mit dieser Bitte meine eigenen Ideale über Bord geworfen hätte.«
Schirmer-Lunz seufzte.
»Mir ist es nicht gelungen, sie davon abzubringen, und jetzt ist sie tot. Sie war wie ihre Mutter. Und jetzt sind beide nicht mehr da.« Er sah zu dem düsteren Gemälde hinter seinem Schreibtisch.
Ólafur Davídsson hatte die Signatur des Künstlers in der rechten unteren Ecke der Leinwand gesehen: ›Franz Courtens 98‹. Es war das einzige Bild im Raum und zeigte alte Buchen, die mit spärlichem Laub an einem Kanal standen. Auf dem Wasser ruderte ein Mann in einem Kahn. Dunkle Farbtöne dominierten das Bild und entwickelten beinahe eine depressive Stimmung.
Davídsson dachte an das Tor zur Unterwelt.
»Wir wissen noch nicht, woher Saitô wusste, wo Ihre Tochter untergetaucht war«, sagte er schließlich.
»Ich wollte, dass sie wieder zurück nach Bayern kommt.«
»Kannten Sie die Details ihrer neuen Identität?«
»Ich nehme nicht an, dass Sie mich verdächtigen. Deshalb werde ich auf diese Frage antworten. Ich habe erst davon erfahren, als Hofbauer mich nach ihrer Ermordung angerufen hat. Ich habe nicht einmal ihren neuen Namen gekannt oder gewusst, wo sie gewohnt hat und wie sie gewohnt hat. Nichts. Nur, dass sie wieder in Bayern unter falschem Namen lebte.«
»Sie hatte offenbar Kontakt zu Ihrem Sohn.«
Es dauerte eine Weile, bis er antwortete.
»Ich würde es sehr begrüßen, wenn Sie das für sich behalten würden.«
»Wir haben bereits mit ihm gesprochen.« Davídsson dachte an seinen Fuß, der zum Glück nicht mehr schmerzte.
Schirmer-Lunz sah Ólafur Davídsson direkt in die Augen.
»Ich hoffe, er ist nicht Ihre fehlende Verbindung zu diesem Saitô. Martin ist so etwas wie … wie das schwarze Schaf in der Familie.«
Davídsson holte das Bild mit der asiatischen Frau hervor und legte es auf den Konferenztisch. Er hatte plötzlich einen trockenen Mund. Das Hotelleben sorgte dafür, dass er nicht genügend Flüssigkeit zu sich nahm. Der Kühlschrank im Hotelzimmer war zwar randvoll mit kleinen Saftflaschen, aber auf die Dauer war es zu teuer, sie zu trinken, und der Innenminister hatte ihm keines der Getränke angeboten, die auf dem Tisch standen.
»Kennen Sie diese Frau?«
»Wo haben Sie
Weitere Kostenlose Bücher