Herbstwald
habe Schluss gemacht …« Ricardo Gollas starrte zu dem fahlen Himmel empor und Davídsson sah Tränen in seinen Augen.
»Ich kann mir gut vorstellen, dass sie gewusst hat, wie sehr Sie sie immer noch geliebt haben.« Ólafur Davídsson hatte keinen Anhaltspunkt für diese Aussage im Kopf, aber ihm waren auch keine anderen tröstenden Worte eingefallen.
Er war nicht gut darin, andere Menschen aufzurichten, aber er wusste auch aus eigener Erfahrung, dass es bei solchen Gelegenheiten nicht wichtig war, ob der ausgesprochene Trost der Wahrheit entsprach.
In solchen Momenten wollte man glauben und hinterfragte nichts.
»Bei unserem letzten Treffen haben wir uns fürchterlich gestritten. Ich weiß, das hört sich jetzt abgedroschen an, weil es das ist, was bei den meisten Beziehungen passiert, die so enden.«
Davídsson dachte an einen Spruch, den er irgendwann einmal gelesen hatte: Beziehungen, die nicht mit einer Trennung aufhören, enden immer mit dem Tod.
»Hat sie Ihnen einmal etwas über Japan erzählt?«
»Sie hat davon geträumt, mit mir nach Japan zu reisen. Ich habe mich immer gefragt, warum es ausgerechnet Japan sein musste. Irgendwie kann ich diesem Land nichts abgewinnen. Die ganzen Erdbeben und die engen Hochhausschluchten, die es da geben soll, und diese zurückhaltende Freundlichkeit der Japaner.«
»All das muss sie sehr fasziniert haben, denn sie hat in Frankfurt Japanologie studiert.«
»In ihrer Wohnung hatte sie japanische Sachen herumstehen und ich erinnere mich auch an ein Foto mit einer Japanerin.«
»Ein Foto?« Ólafur Davídsson war sich sicher, dass nichts von einem Foto im Bericht der Spurensicherung stand.
»Ja, irgendeine japanische Freundin. Könnte eigentlich auch eine Chinesin oder Koreanerin gewesen sein, aber jetzt wo Sie sagen, dass Catharina in Frankfurt Japanologie studiert hat, ergibt das sonst keinen Sinn.«
»Kennen Sie den Namen von der Person auf diesem Foto?«
»Nein. Wir haben uns auch nie mit ihr getroffen oder so.« Ricardo Gollas nahm die Dose zur Hand und prüfte den Leim, der mittlerweile so fest geworden war, dass er den Pinsel nicht mehr herausziehen konnte. »Mein Meister wird nicht sehr glücklich darüber sein.« Er versuchte zu lächeln, aber die Trauer in seinen Augen ließ es wie ein schmerzverzerrtes Gesicht aussehen. »Moment, da fällt mir etwas ein. Ich habe Catharina noch mal beim Jubiläum gesehen und ich glaube, da war auch eine Japanerin, mit der sie sich kurz unterhalten hatte. Kann sein, dass es die vom Foto war.«
»Was für ein Jubiläum?«
»Das 500-jährige Bestehen der Fuggerei.«
»Da war eine Japanerin, mit der sie sich unterhalten hat?«
»Ich glaube, sie waren zu zweit. Eigentlich könnte es ein Paar gewesen sein, aber sie hat sich nur kurz mit der Frau unterhalten, soweit ich weiß.«
Ólafur Davídsson kramte den Schlüssel aus der Hosentasche, nachdem er einen Blick auf die Fenster im ersten Stock geworfen hatte, hinter denen er jedoch keinen Schatten von Moser entdecken konnte.
Es war für ihn zu einer Art Gewohnheit geworden, Mosers Fenster zu prüfen, bevor er die Wohnung von Lea Schirmer-Lunz betrat.
Das letzte Mal, als er hier gewesen war, hatte er jedoch noch geglaubt, dass das Opfer Catharina Aigner hieß.
Jetzt waren sie ein Stück weiter – einen Schritt näher an der Wahrheit.
Er setzte sich im Wohnzimmer auf die Kante der speckigen Ledercouch, die sich kalt und abweisend anfühlte. In diesem Herbst hatte hier niemand die Heizung angeschaltet und trockene Luft eingeatmet. Das Licht der Dämmerung reichte aus, um zu sehen, dass kein Foto im Vitrinenschrank stand. Das Einzige, was sie in dem alten Schrank gefunden hatten, waren japanische Glücksbringer gewesen, die immer noch bei der Spurensicherung lagen, ohne ihnen irgendwie weiterzuhelfen.
Davídsson stand auf, um sich den Schrank näher anzusehen. Er wusste, dass Lilian Landhäuser dort ein heilloses Durcheinander aus alten Kleidungsstücken, Papieren und Zeitschriften vorgefunden hatte, die alle einzeln in einer Liste mit Gegenständen aus der Wohnung aufgeführt worden waren.
Es war eine mühevolle Arbeit, um die er die Kollegen von der Spurensicherung nicht beneidet hatte. Trotzdem war diese Arbeit wichtig und die Kollegen wussten, dass es darauf ankam, dass jedes einzelne Blatt Papier ordentlich in der Liste verzeichnet wurde, auch wenn es zunächst vielleicht völlig nebensächlich erschien.
Er erinnerte sich an einen Fall aus dem Lehrbuch, wo ein
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