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Hercule Poirots Weihnachten

Hercule Poirots Weihnachten

Titel: Hercule Poirots Weihnachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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an und murmelte leise: «Merkwürdig…»
    Aber als er sich ihr fragend zuwandte, wechselte sie das Thema. «Wenn wir also nicht erfahren dürfen, wer unsere geheimnisvollen Gäste sind, dann gehe ich hinaus und mache meine Gartenarbeit fertig.»
    «Es ist sehr kalt, Liebling, der Wind ist eisig.»
    «Ich werde mich warm anziehen.»
    Alfred sah ihr nach, als sie hinausging, blieb eine Weile reglos stehen, in tiefes Nachdenken versunken, und trat dann an das große Fenster. Eine Terrasse zog sich an der Längsseite des Hauses hin. Nach ein, zwei Minuten erschien Lydia, in einen dicken Wollmantel gehüllt, einen flachen Korb in der Hand, und machte sich an einer kleinen, viereckigen Grube zu schaffen. Ihr Mann sah ihr einen Augenblick zu. Dann verließ auch er das Zimmer, holte sich einen Mantel und ging seinerseits durch eine Seitentür auf die Terrasse hinaus. Während er zu Lydia hinüberging, kam er an zahlreichen steinumrandeten Erdvertiefungen vorbei, lauter kleinen Miniaturgärten, die alle das Werk von Lydias geschickten Händen waren.
    Einer davon stellte eine Wüstenlandschaft dar: gelber Sand, ein kleiner Palmenhain, eine Kamelkarawane mit zwei winzigen arabischen Treibern. Aus Plastilin waren Lehmhütten nachgebildet worden. Dann gab es einen italienischen Garten mit Terrassen und kunstvollen Blumenbeeten, in denen eine ganze Blütenpracht aus Siegellack-Blumen leuchtete. Ein anderer der kleinen Gärten zeigte eine Polarlandschaft mit grünen Glasstücken als Eisberge und Gruppen von Pinguinen. Auch ein japanischer Garten fehlte nicht: Kleine, verkrüppelte Bäumchen standen darin, Glasscheiben stellten Teiche dar, über die sich Brücken schwangen, von Lydia ebenfalls aus Plastilin angefertigt.
    Alfred sah ihr zu. Sie hatte in die kleine Grube blaues Papier gelegt und es mit Glas bedeckt. Ringsum ragten Felsblöcke auf. In diesem Augenblick schüttete sie groben Schotter aus, um ein Ufer daraus zu bilden. Zwischen den großen Steinen standen ein paar kleine Kaktuspflanzen.
    «Ja, genauso habe ich es mir vorgestellt, ganz genauso», murmelte Lydia vor sich hin.
    «Was stellt dein neuestes Kunstwerk dar?», fragte Alfred.
    Sie erschrak, denn sie hatte ihn nicht kommen hören.
    «Das? Das Tote Meer, Alfred. Gefällt es dir?»
    «Ist es nicht ein wenig zu dürr und unfruchtbar? Ich meine, sollte die Vegetation nicht etwas reicher sein?»
    Sie schüttelte den Kopf. «Nein, so stelle ich mir das Tote Meer vor – wirklich tot, weißt du.»
    Schritte auf der Terrasse. Ein älterer, weißhaariger Butler kam leicht gebeugt auf sie zu.
    «Mrs George Lee ist am Telefon, madam. Sie lässt fragen, ob es Ihnen passen würde, wenn sie und Mr George mit dem Fünf-Uhr-zwanzig-Zug kämen.»
    «Ja, sagen Sie ihr, das sei uns sehr recht.»
    Der Butler verschwand. Lydia sah ihm mit einem fast liebevollen Blick nach. «Guter alter Tressilian. Ich weiß nicht, was wir ohne ihn täten.»
    «Ja», stimmte ihr Alfred bei, «er ist noch einer von der alten Schule. Vierzig Jahre ist er nun schon bei uns, und ich glaube, er liebt uns alle, jeden Einzelnen.»
    Lydia nickte. «Ich glaube, er würde sich um Ehre und Seligkeit lügen, wenn es darum ginge, jemanden der Familie zu schützen.»
    «Das würde er», sagte Alfred leise, «ich glaube, das würde er wirklich.»
    Lydia ebnete ihren Kieselsteinstrand und sagte dann: «So, jetzt ist es bereit.»
    «Bereit? Wofür?», fragte Alfred erstaunt.
    «Für Weihnachten, du Dummer», lachte sie. «Für unser gefühlvolles Familienfest.»
     
    David las den Brief. Darauf ballte er erst das Blatt Papier zu einem Klumpen zusammen und warf es weg, dann holte er den Knäuel wieder, glättete den Bogen sorgfältig und las ihn noch einmal durch.
    Seine Frau, Hilda, sah ihm wortlos zu. Sie bemerkte den zuckenden Muskel (oder war es ein Nerv?) an seiner Schläfe, das leise Zittern der langen, ausdrucksvollen Hände und die nervöse Angespanntheit seines Körpers. Als er wieder einmal die Strähne blonden Haars aus der Stirn strich und zu ihr hinübersah, war sie ruhig und gefasst.
    «Hilda, was sollen wir tun?»
    Hilda zögerte lange, ehe sie antwortete. Sie hatte den Hilferuf vernommen, und sie wusste, wie abhängig David von ihr war, immer schon, seit dem Tag ihrer Hochzeit, sie wusste, dass sie seinen letzten Entschluss maßgeblich beeinflussen konnte. Aber gerade deshalb scheute sie davor zurück, irgendetwas Endgültiges zu sagen.
    Ihre Stimme klang weich und zärtlich, als ob sie zu einem Kind

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