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Hercule Poirots Weihnachten

Hercule Poirots Weihnachten

Titel: Hercule Poirots Weihnachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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förmlich auf, weil mich dünkt, du seist nicht – wie soll ich mich ausdrücken –, nicht misstrauisch, nicht weltgewandt genug!»
    Ihr Gatte lächelte. «Die Welt, glaube ich, ist immer so, wie man sie selber sieht.»
    «Nein», antwortete Lydia scharf. «Das Böse lebt nicht nur in unseren Gedanken. Das Böse existiert. Du scheinst das nicht zu wissen – ich weiß es! Ich fühle es, habe es immer gefühlt – in diesem Haus…» Sie biss sich auf die Lippen und wandte sich ab.
    Doch ehe Alfred etwas antworten konnte, hob sie warnend die Hand und sah über seine Schulter. Hinter Alfred stand ein dunkler Mann mit glatt rasiertem Gesicht in ehrerbietiger Haltung.
    «Was gibt’s, Horbury?», fragte Lydia kurz.
    Horbury sprach sehr leise, so dass es eher ein Murmeln war.
    «Mr Lee hat mir aufgetragen, Ihnen auszurichten, Madame, dass noch zwei weitere Gäste zum Weihnachtsfest kommen, und Sie zu bitten, Zimmer für sie bereitmachen zu lassen.»
    «Zwei weitere Gäste?»
    «Jawohl, Madame – ein Herr und eine junge Dame.»
    «Eine junge Dame?», fragte Alfred verwundert.
    «So hat es mir Mr Lee aufgetragen», bestätigte Horbury.
    «Ich gehe zu ihm hinauf», sagte Lydia schnell.
    Doch eine kleine, kaum wahrnehmbare Bewegung von Horbury, die Andeutung eines Schritts nach vorn, hielt sie auf.
    «Verzeihung, Madame, aber Mr Lee hält gerade sein Nachmittagsschläfchen. Er wünschte ausdrücklich, nicht gestört zu werden.»
    «Ach so», fiel Alfred ein, «dann werden wir ihn selbstverständlich nicht wecken.»
    «Danke, Sir.» Horbury ging hinaus.
    «Wie ich den Kerl hasse!», brach Lydia aus. «Schleicht durch das Haus wie eine Katze. Nie hört man ihn kommen oder gehen.»
    «Mir ist er auch nicht sympathisch, aber er versteht seinen Beruf. Es ist gar nicht so leicht, einen guten Diener und Krankenpfleger zu finden. Und Vater hat ihn gern, das ist die Hauptsache.»
    «Das ist die Hauptsache, sehr richtig! Aber wer kann die junge Dame sein, Alfred?»
    «Keine Ahnung. Ich kann es mir wirklich nicht vorstellen.»
    Eine Weile blickten sich die beiden schweigend an. Dann kräuselten sich Lydias ausdrucksvolle Lippen ein wenig. «Weißt du, was ich glaube, Alfred? Vermutlich hat sich dein Vater in letzter Zeit ziemlich gelangweilt, und nun plant er irgendeine Weihnachtsüberraschung für sich.»
    «Indem er zwei Fremde zu einem Familienfest einlädt?»
    «Nun, die Einzelheiten kenne ich nicht, aber ich habe das Gefühl, dass dein Vater Abwechslung sucht.»
    «Hoffentlich macht ihm die Sache dann auch wirklich Spaß», sagte Alfred ernst. «Armer alter Mann, und erst noch invalide - nach dem abenteuerlichen Leben, das er früher geführt hat.»
    «Nach dem abenteuerlichen Leben, das er früher geführt hat», wiederholte Lydia langsam. Die Pause, die sie vor dem Eigenschaftswort machte, gab dem Satz eine besondere, düstere Bedeutung. Alfred schien das zu spüren, denn er errötete und sah unglücklich aus.
    Sie rief plötzlich unbeherrscht: «Wie er jemals einen Sohn wie dich haben konnte, ist mir schleierhaft! Ihr seid zwei vollkommen entgegengesetzte Pole! Und dabei fasziniert er dich, du verehrst ihn!»
    Alfred war nun wirklich verärgert. «Du gehst ein bisschen zu weit, Lydia. Es ist natürlich, dass ein Sohn seinen Vater liebt. Unnatürlich wäre nur, wenn er das nicht täte.»
    «Dann sind die meisten Mitglieder dieser Familie unnatürlich», sagte Lydia langsam. «Ach, entschuldige, jetzt habe ich deine Gefühle verletzt, ich weiß! Das wollte ich nicht, Alfred, bitte glaub mir das. Ich bewundere dich sehr um deiner, deiner Treue willen. Treue ist sehr selten in unseren Tagen. Vielleicht bin ich eifersüchtig! Man sagt doch, Frauen seien immer auf ihre Schwiegermütter eifersüchtig – warum nicht auch auf ihre Schwiegerväter?»
    Er legte zärtlich den Arm um sie. «Deine Zunge geht wieder einmal mit dir durch, Liebling. Du hast weiß Gott keine Ursache, eifersüchtig zu sein.»
    Sie küsste ihn schnell und reuevoll auf das Ohrläppchen. Es war eine zarte Liebkosung.
    «Ich weiß, Alfred. Und dennoch glaube ich, dass ich auf deine Mutter nie eifersüchtig gewesen wäre. Ich wünschte, ich hätte sie gekannt.»
    Er seufzte. «Sie war eine arme Kreatur.»
    Seine Frau sah ihn groß an. «So hast du sie gesehen, als eine arme Kreatur. Seltsam.»
    «Ich habe sie fast nur krank gekannt», sagte er verträumt. «Sie hat viel geweint.» Er schüttelte den Kopf. «Nein, sie hatte keinen Mut.»
    Noch immer sah sie ihn voll

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