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Hering mit Heiligenschein

Hering mit Heiligenschein

Titel: Hering mit Heiligenschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Toman
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wollte ausgerechnet das Christkind treffen?«
    Moritz schenkte mir ein entzückendes schiefes Lächeln und nickte. Was für ein Dickenssches Wintermärchen. Offensichtlich gab es nur ein winzig kleines Problem: Das Christkind hatte in der Früh wegen eines lukrativeren Modeljobs abgesagt, und seitdem hatte Moritz nach einem Ersatz gesucht. Und ihn ausgerechnet mitten auf der grauesten Stadtautobahn gefunden. Klar, alle anderen potenziellen Christkinder sitzen ja daheim bei Mama vorm Gabentisch.
    »Wir wollten nicht einfach jemandem eine Perücke aufsetzen«, erklärte er, »Wilma hat nämlich eine klare Vorstellung davon, wie das Christkind aussieht.«
    »Und es sieht aus wie ich?«, fragte ich ungläubig.
    »Nicht nur.« Er grinste. »Sie
sind
es!«
    Na toll. Das Christkind hasst Weihnachten!
    Moritz Schellberg hat mich direkt zum Hotel Imperial chauffiert, wo mich in einer prachtvollen Suite bereits meine Christkindausstattung erwartete. Die Hotelkosmetikerin »Nennen-Sie-mich-Monique« kümmerte sich um die Entfernung überflüssiger Bein- und Gesichtsbehaarung. Eine Stunde später hat man mich mit Hilfe eines gigantischen Schminkkoffers sowie eines hypermodernen Lockenstabes vom Aschenputtel in die Märchenprinzessin verwandelt. Ich wurde in ein weißes Ballkleid gesteckt, bekam goldene Flügelchen und einen goldenen Heiligenschein anmontiert und musste schätzungsweise siebenhundert Paar Pumps anprobieren. Während Moritz im Hotelflur immer nervöser auf und ab lief, schlüpfte ich bereits seit zwanzig Minuten in ein Paar nach dem anderen, doch keines passte.
    Bei Schuhen bin ich stets ein schwieriger Fall gewesen, meine Füße verlangen eine kaum aufzutreibende Zwischennummer mit extrem hohem Rist und einer breiten Ferse. Meine eleganten Abendschuhe sind allesamt eigens angefertigt, nur Turnschuhe und Flip-Flops kann ich in Läden problemlos erwerben. Doch ein Christkind in Turnschuhen entspricht wohl nicht der gängigen Vorstellung. Oder der von Wilma.
    »Diese hier vielleicht?«
    Während ich noch meinen Fuß massiere, ist Moritz ins Zimmer gekommen und hat aus dem Haufen zielsicher ein hübsches Modell in Mattgold gefischt, das er nun, auf seinen unendlich langen Beinen kniend, hochhält. Mit vor Erstaunen offenem Mund sehe ich ihn an. Für seine vierzig Jahre hat er unglaublich jungenhafte Gesichtszüge. Sein dunkles Haar ist naturgewellt und seitlich locker gescheitelt. Eine gewisse Ähnlichkeit mit Matthew Broderick ist nicht zu verleugnen, und mein widerspenstiges schwedisches Tiefkühlherz schaltet die Schnelltaustufe ein.
    »Er passt!«
    Vorsichtig trete ich mit dem Goldpumps auf. Er drückt nicht, er ist weder zu groß noch zu klein, es ist, als wäre er für mich gerade eben geschustert worden.
    »Wie angegossen.«
    »Na also!« Moritz’ Augen blitzen, als er eine leichte Verbeugung andeutet und mir galant den Arm reicht. »Darf ich das Christkind zum Auftritt bitten?«
    Als ich an Moritz’ Arm engelsgleich die prachtvolle Festtreppe hinuntersteige, fällt mir auf, dass die Aufmerksamkeit der Damenwelt auf mich gerichtet ist. Sie stecken die Köpfe zusammen und mustern mich eindringlich. Eine neue Stute im Gehege, noch dazu eine, die im Moment konkurrenzlos überirdisch kostümiert ist. Kaum zu übersehen ist, was für begehrliche Blicke manch weibliches Wesen Moritz zuwirft, der jedoch nur Augen für mich hat.
    Der Festsaal ist weihnachtlich dekoriert. Die Kronleuchter strahlen, die Fresken an den Wänden versetzen einen in eine vergangene Zeit, und am gegenüberliegenden Ende des Saals ist ein mehrere Meter hoher Christbaum prächtig geschmückt. Dorthin führt mich Moritz unter den »Ahs« und »Ohs« der Gäste. Leuchtende Kinderaugen blicken zu mir auf, als wäre ich ein überirdisches Wesen. Sie können ja nicht wissen, dass echte Feen ganz anders aussehen und statt eines Heiligenscheins eine Alkoholfahne haben.
    Neben dem Baum ist ein kleiner Thron vorbereitet, daneben ein riesiger goldener Korb voller bunter Pakete. Mein Herz schlägt bei diesem Anblick höher. Ich empfinde plötzlich eine Sehnsucht, die ich nicht erklären kann. Moritz, der das wohl für aufkeimende Nervosität hält, drückt beruhigend meine Hand.
    »Wie gesagt, du brauchst nur dort zu sitzen, die Kinder kommen zu dir, und du gibst jedem Kind ein Päckchen, ganz einfach.«
    Ich nicke und wir sehen uns an, eindeutig zu lange. Er streicht mir eine Christkindlocke aus der Stirn. Auf einmal fühle ich mich wie ein Hering im

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