Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge

Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge

Titel: Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
Vom Netzwerk:
Tatsächlich hatte es eher wie goninshiki geklungen, wie Missverständnis also, was ja irgendwie sogar witzig war.
    Er richtete sich auf, hielt den Kopf aber noch gesenkt. Er erwiderte den Gruß mit der gebotenen Zurückhaltung. Dann wartete er ab, was geschehen würde.
    Die Frau schien unzufrieden. Immer wieder rief sie etwas nach hinten, in ihrer eigenen Sprache, die sich wie Gesang anhörte. Ein Wort fiel immer wieder, das sich wie tara doko-têr anhörte, ein Wort, von dem Hiroshi keine Ahnung hatte, was es bedeuten mochte.
    »Do you speak English?« , fragte die Frau schließlich.
    Hiroshi neigte den Kopf noch ein Stück tiefer. »Yes, madam« , erwiderte er, obwohl ihm das in diesem Moment wie eine tollkühne Behauptung vorkam. Seine Mutter hatte seit jeher darauf bestanden, dass er sich im Englischunterricht besonders viel Mühe gab, weil es die Sprache seines Vaters war. Sie selber sprach sehr gut Englisch, hörte ihn regelmäßig ab und duldete keineschlechten Noten. Tatsächlich jedoch konnte Hiroshi Englisch zwar lesen – was zum Beispiel im Internet hilfreich war – und auch einigermaßen verstehen, aber was seine Aussprache anbelangte, hegte er den starken Verdacht, dass sie allenfalls dazu geeignet war, bei Ausländern Lachkrämpfe hervorzurufen.
    Doch als die Frau des Botschafters weitersprach, merkte er, dass sie noch viel schlechter Englisch sprach als selbst Shigeru, einer seiner Klassenkameraden, der Herrn Matsuba, ihren Englischlehrer, regelmäßig zur Verzweiflung trieb: Hiroshi verstand kein Wort!
    Hilflos sah er seine Mutter an, die seinen Blick jedoch nur entsetzt erwiderte. Also verstand sie auch nichts!
    Was um alles in der Welt wollte diese Frau? Sie schien eine Antwort zu erwarten, aber was sollte er denn sagen? Er konnte ihr doch nicht erklären, dass er sie nicht verstand; das wäre unverzeihlich unhöflich gewesen!
    Die Frau rief wieder nach dem ominösen tara doko-têr , und allmählich klang sie ziemlich ungehalten.
    Hiroshi wusste sich nicht zu helfen. Er hielt den Blick starr auf den Boden gerichtet und hatte das Gefühl, dass jeden Moment Schweiß in dicken Tropfen von seinen Händen auf den Teppich herabfallen musste.
    In diesem Augenblick bemerkte er in den Augenwinkeln eine Bewegung, jemanden, der ins Zimmer kam. Hiroshi drehte den Kopf eine Winzigkeit, um besser zu sehen.
    Es war das Mädchen. Sie stand da, und obwohl er wusste, dass es sich nicht gehörte, konnte er nicht anders, als den Kopf zu heben und sie anzusehen.
    Und dann sagte das Mädchen in tadellosem Japanisch: »Meine Mutter möchte dir danken, dass du meine Puppe gefunden und zurückgebracht hast, und sie möchte gerne wissen, wo du sie gefunden hast.«
    Charlotte musste einfach lauschen, als sie mitbekam, dass ihre Mutter den Jungen erwartete, der die Puppe repariert und zurückgebrachthatte. Vor allem wollte sie wissen, wie er aussah. Was das für einer war, der so was machte.
    Maman war heute guter Stimmung. Das war sie immer, wenn ein Empfang bevorstand. Dann lebte sie auf, und Kopfschmerzen hatte sie an solchen Tagen auch nie.
    Aber natürlich kam sie mal wieder nicht zurecht. Sie hatte vergessen, dem Übersetzer Bescheid zu sagen, was ihr erst wieder einfiel, als schon die Nachricht vom Haupteingang kam, dass der Junge und seine Mutter unterwegs seien. Sie fegte durch die Räume, riss die Sekretärin, Madame Chadal, aus ihrer Arbeit und befahl ihr, sofort den Übersetzer herbeizuzitieren. Dass der das bei dem Verkehr an einem Samstagmorgen in Tokio nie im Leben schaffen konnte, davon wollte sie nichts hören.
    Das Geräusch der sich öffnenden Wohnungstür ließ Maman zusammenfahren. »Sie sind schon da«, murmelte sie. »Quelle horreur!« Dann straffte sich ihre Gestalt, sie setzte ihr bestes Lächeln auf und schritt hinaus in die Eingangshalle.
    Charlotte huschte durch den Gelben Salon, um, versteckt hinter den Vitrinen neben der anderen Tür, einen Blick auf die Besucher zu werfen.
    Die Frau hatte sie oft gesehen, wie sie Wäschekörbe über den Hof trug. Sie wirkte nicht, als hätte sie diese Art Arbeit schon ihr Leben lang gemacht, sondern auf eine seltsame Weise so, als verstecke sie sich hier vor jemandem. Sie musste einmal schön gewesen sein. Sie hätte es wahrscheinlich immer noch sein können, wenn sie etwas anderes getragen hätte als diese grauen sackartigen Sachen, und sich ein wenig zurechtgemacht hätte.
    Mutter begrüßte die beiden mit den paar Brocken Japanisch, die sie sich angeeignet

Weitere Kostenlose Bücher