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Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge

Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge

Titel: Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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hatte. Aber nicht nur, dass die beiden offensichtlich kein Wort verstanden, es hätte auch zu nichts geführt, weil Mutter die Unterhaltung ja nicht auf Japanisch hätte fortsetzen können.
    »Où est le traducteur?« , rief sie ein ums andere Mal, aber auf der anderen Seite der Tür stand nur Madame Chadal, das Mobiltelefon in der Hand und hilflos die Schultern hebend, weil derÜbersetzer nicht einmal zu erreichen war und seine Vertreterin auch nicht.
    Den Jungen hatte Charlotte noch nie gesehen. Er konnte nicht älter sein als sie selber, und er war relativ klein, aber so, wie er da stand, und obwohl er lächerlich lange in dieser tiefen Verbeugung verharrte, spürte sie etwas Unbeugsames an ihm, etwas wie einen Kern aus Federstahl.
    Mutter versuchte es mit Englisch. Das beherrschte sie zwar, sprach es aber mit einem so starken französischen Akzent, dass die beiden Gäste ebenfalls ratlos waren.
    Charlotte rang mit sich. Wenn sie einsprang, dann würde Maman wissen, dass sie gelauscht hatte, was ihr ausdrücklich verboten war. Auf der anderen Seite konnte sie nicht mit ansehen, wie ihre Mutter sich blamierte, nur weil sie sich schrecklich ungeschickt mit fremden Sprachen anstellte!
    Also gab sie ihr Versteck auf und ging hinaus in die Halle.
    »Woher kannst du Japanisch?«, wunderte sich ihre Mutter, nachdem sie ihr die Antwort des Jungen – dass er die Puppe auf der Straße neben dem Tor gefunden habe, durch das die Mülleimer abtransportiert wurden – übersetzt hatte.
    »Yumiko hat es mir beigebracht«, erklärte Charlotte, obwohl das übertrieben war, denn Yumiko hatte zwar ihre Vorzüge, aber die Fähigkeit, jemandem etwas beizubringen, zählte nicht dazu. Als Erklärung auf die Schnelle genügte es jedoch.
    Mutter kam kaum aus dem Kopfschütteln heraus. »Also so was … Nicht zu fassen.« Sie räusperte sich. »Also gut. Sag ihnen, dass ich mich … nein, dass du dich … nein, dass wir uns über diese, hmm, Aufmerksamkeit sehr gefreut haben und … ähm, ja, wir sollten uns irgendwie erkenntlich zeigen. Ich weiß bloß gerade nicht recht, wie. Versuch doch mal von dem Jungen zu erfahren, wie wir ihm eine Freude machen könnten.«
    »Okay«, sagte Charlotte, drehte sich um und fragte den Jungen: »Wieso hast du das gemacht?«
    Er blinzelte. »Was meinst du?«
    »Meine Puppe repariert.«
    Er hob die Schultern. »Ich weiß nicht. Hätte ich es nicht sollen?«
    Charlotte nagte an ihrer Unterlippe. Sie wusste nicht, was sie darauf sagen sollte. »Sie ist mir einfach kaputt gegangen«, behauptete sie schließlich.
    Er nickte, als sei das das Selbstverständlichste der Welt. »Ach so.«
    »Willst du mein Zimmer sehen?«
    »Ja.«
    »Gut, dann komm mit.« Sie wandte sich ihrer Mutter zu und erklärte: » C’est bon. Wir haben ausgemacht, dass wir miteinander spielen. Ich geh und zeige ihm mein Zimmer und meine Sachen und so.«
    »Mais non!« Mutter riss die Augen auf. »Ich meinte ein kleines Geschenk oder so etwas …«
    »Das will er nicht«, behauptete Charlotte und erschrak selber ein bisschen über ihre Kühnheit. Der Junge war allerdings irgendwie nett. Vielleicht konnten sie sich anfreunden.
    »Aber doch nicht jetzt! Wo doch heute der Empfang ist …!«
    »Der ist doch erst heute Abend. Bis dahin ist ja noch lang.« Sie durfte sich jetzt auf keine lange Diskussion einlassen, das wusste sie. Also bedeutete sie dem Jungen kurzerhand, mit ihr zu kommen, und setzte sich in Bewegung.
    Der Junge folgte ihr, ohne zu zögern. Seine Mutter rief ihm nach, wohin er gehe. »Sie will mir ihr Zimmer zeigen«, rief er über die Schulter zurück, und das war alles.
    Je weiter sie kamen, desto weniger mochte Hiroshi glauben, dass sie sich wirklich in einer Wohnung befanden. Wer hatte eine derart große Wohnung? Was wollte jemand mit so vielen, so riesigen Zimmern? Das sah eher aus wie eine Art Museum, so vollgestopft mit teuer und alt aussehenden Sachen, wie alle Räume waren.
    »Wie heißt du?«, fragte das Mädchen.
    »Hiroshi«, sagte er und überlegte, ob er ihr erzählen sollte,wie er sie das erste Mal gesehen hatte. Er hätte gern gewusst, warum sie sich im Nachthemd in den Regen gestellt hatte.
    »Ich heiße Charlotte«, erklärte sie. »Mit r und l. Kannst du das sagen?«
    Er probierte es, während sie eine breite Treppe emporstiegen. »Cha…rotte«, brachte er heraus. Sie lachte, worauf er es noch einmal versuchte. »Cha-re-rotte?«
    Sie blieb stehen, öffnete den Mund und machte ihm vor, wie das l ging:

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