Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge

Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge

Titel: Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
Vom Netzwerk:
fünfundvierzig Jahre lang an derselben Stelle gelegen hat und erst in den letzten fünf Jahren angefangen hat, sich zu bewegen.«
    Adrian legte seine Karten beiseite. »Charlotte soll den Text übersetzen, der dabeisteht.«
    Morley reichte ihr das Logbuch. Charlotte nahm es entgegen, fühlte sich unbehaglich, dass jetzt aller Augen auf sie gerichtet waren. Dass sie diese Zeichnung übersehen hatte! Das Papier roch staubig, alt.
    »Montag, 13 . Juni 1966 « , las sie stockend. »Temperatur – 2 , 8 °C. Seit Tagen anhaltender starker Wind aus NO mit 70 – 90 km/h. Himmel klar, keine Niederschläge. Luftdruck gleichbleibend bei –«
    »Das hab ich alles schon«, meinte Morley ungeduldig. »Die Zahlen, meine ich. Die sind ja zum Glück allgemein verständlich.«
    »Okay.« Charlottes Blick wanderte weiter. » Am Nachmittag plötzlich Lärm. Ein Düsenflugzeug, ganz tief, als wolle es auf der Insel landen. «
    Sie hielt inne, musste Luft holen. Das war am Ende doch nicht etwa …?
    »Neuer Absatz«, sagte sie. Die Schrift war undeutlicher, die Zeilen hastiger geschrieben. » Besuch. Leutnant Pjotr Jegorow musste oben auf dem Eis notlanden, Turbinenschaden. Er ist ziemlich durcheinander, hat von Teufelsfingern geredet, die aus dem Eis kämen und nach seinem Flugzeug und nach ihm gegriffen hätten. Die alten Schauergeschichten! Wann werden wir Menschen endlich Vernunft annehmen? Andererseits kann man verstehen, dass er durcheinander war. Er hatte Glück mit dem Gegenwind, sonst wäre er sicher ins Meer gestürzt. Er ist ohne Schutzkleidung umhergeirrt, als wir ihn gefunden haben. Wir haben ihm zu essen und Wodka gegeben und ihn ins Bett gesteckt, er fiebert. Pawel versucht, die zuständigen Stellen zu erreichen, aber der Funk ist gerade so stark gestört wie selten; ich weiß nicht, ob er viel ausrichten wird. «
    »Dann bezeichnet das Kreuz die Landestelle, nehme ich an«, sagte Morley. »Und die Striche die Richtung, aus der die Maschine gekommen ist.« Er klang enttäuscht.
    »Wie geht die Geschichte weiter?«, wollte Leon wissen.
    »Dienstag, 14 . Juni 1966 «, fuhr Charlotte fort. » Temperatur … Okay, das lass ich weg. Im Prinzip wie am Vortag, nur der Wind hat nachgelassen.« Sie buchstabierte sich die nächsten Worte zurecht, sagte sie sich unhörbar für die anderen vor, um zu verstehen, was da stand. »Leutnant Jegorow geht es besser, aber er hat Fieber. Er hat uns gebeten, zu seinem Flugzeug zu gehen und ihm ein paar Dinge aus dem Cockpit zu bringen, eine Mappe mit wichtigen Unterlagen, soweit ich ihn verstanden habe. Da das Wetter stabil ist, haben wir beschlossen, nach dem Mittagessen aufzubrechen.«
    Den nächsten Absatz musste sie mehrmals lesen. Sie zögerte. Irgendwas musste sie da missverstehen, oder? Das konnte doch nicht sein …
    »Und weiter?«, fragte Adrian. »Ist ja richtig spannend.«
    Charlotte räusperte sich. »Ich weiß nicht … Also, es kommt ein Querstrich, und dann steht da: Sind zurück. Können uns das nicht erklären. Das Flugzeug ist verschwunden. «
2
    Leon pfiff leise durch die Zähne und legte seine Spielkarten beiseite. »Mit anderen Worten: Der schwarze Punkt auf dem Satellitenbild ist gar kein Meteorit. Das ist das Flugzeug. Es ist im Eis versunken.« Seine Augen glänzten auf einmal fiebrig.
    Adrian musterte den Fotografen skeptisch. »Also, ich weiß nicht. Ich hab noch nie gehört, dass ein Flugzeug in einem Gletscher versunken wäre.«
    Einen Moment lang lag eine eigenartige Spannung in der Luft. So ähnlich musste es sein, wenn Schatzsucher auf die entscheidende Karte stießen, auf das alte Pergament mit dem Kreuz an der richtigen Stelle.
    Morley hob die Hand, wackelte damit. »Vorsicht. Nicht nach dem Lehrbuch, okay. Aber ich hab mal mit einem Glaziologen geredet … Also, eigentlich haben wir miteinander gesoffen, und nach dem vorletzten Bier ist er mächtig ins Reden gekommen. Jedenfalls: Es gibt gerüchteweise ein Phänomen, das dazu passen würde. Eine Art Treibsandeffekt, nur eben in Eis. Das hält sich als Legende hartnäckig, würde auch einige rätselhafte Unfälle erklären, vermisste Polarforscher und so weiter, ist bisher bloß noch nie unter Bedingungen beobachtet worden, die wissenschaftlichen Kriterien genügen.«
    »Ich halte nichts von solchen Geschichten«, meinte Adrian. »Da ist man ruck, zuck bei Loch Ness und dem Yeti.«
    Morley nickte. »Klar. Aber denk an die Geschichte mit den Monsterwellen. Davon haben Seeleute seit Jahrhunderten erzählt, und

Weitere Kostenlose Bücher