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Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge

Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge

Titel: Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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»Ich dachte schon, du wachst gar nicht mehr auf.«
    Charlotte blinzelte, versuchte sich hochzustemmen. Erst jetzt bemerkte sie, dass in ihrem linken Arm eine Kanüle steckte, von der ein Schlauch zu einem Beutel mit wasserklarer Flüssigkeit über ihr lief. »Was ist los? Wo sind wir?«
    »An Bord irgendeines russischen Schiffes, dessen Namen ich um alles in der Welt nicht verstehe. Scheint eine Art Eisbrecher oder so was zu sein, riesig jedenfalls.«
    Jetzt fiel ihr alles wieder ein. Die Insel. Leon. Die Maschinen. Die Flucht, das Boot, die Flutwelle. »Sie haben uns gerettet!«
    »Zumindest haben sie uns aus dem Wasser gefischt.«
    Charlotte sah umher. Eine Krankenstation mit zehn Betten, von denen drei benutzt aussahen. Vier, wenn sie ihr eigenes mitzählte. »Wo sind die anderen?«
    »In der Kantine oder wie das auf einem Schiff heißt. Was essen. Ich bin hiergeblieben, weil du dich fürchterlich hin und her gewälzt und in allen möglichen Sprachen gebrabbelt hast. Sie haben dir irgendwas gegeben, weil du von uns allen am meisten unterkühlt warst, vielleicht deshalb.« Er deutete auf ihren Arm. »Soll ich dem Arzt Bescheid sagen, dass er dich abstöpselt?Dann können wir auch gehen. Ich hätte nämlich ziemlichen Hunger.«
    Etwas zu essen war so ungefähr das Letzte, was sich Charlotte jetzt hätte vorstellen können. Sie sah Adrian genauer an. Er trug einen dunkelblauen Trainingsanzug mit russischen Aufdrucken. Sie sah an sich herab. Man hatte sie in dieselbe Art Kleidung gesteckt, nur ohne das Oberteil. Sie trug nur ein dunkelblaues, viel zu weites T-Shirt, das ihre Arme frei ließ.
    »Was passiert sonst?«, wollte sie wissen. »Was ist mit der Insel?«
    Adrian seufzte. »Keine Ahnung. Sie haben uns ausgefragt, aber ich weiß nicht, wie viel sie von dem verstanden haben, was wir versucht haben, ihnen zu erklären. Jedenfalls ist ständig jemand da, der auf uns aufpasst, und draußen sind eine Menge Schiffe und U-Boote – echt beeindruckend.«
    »Lass sehen.« Sie rappelte sich weiter auf, setzte sich auf den Bettrand, musste innehalten, weil ihr schwindlig wurde.
    »Wart, ich geb Bescheid.« Adrian spurtete zur Tür, einer massiven Stahltür mit schweren Riegeln, steckte den Kopf hindurch und rief jemandem etwas zu.
    Charlotte schätzte derweil ungeduldig die Entfernung bis zum nächstliegenden Bullauge ab und verglich sie mit der Länge ihres Infusionsschlauches. Das würde schon reichen. Sie stemmte sich hoch, griff nach dem Haltebügel am Kopfende ihres Bettes, wartete eine günstige Rollbewegung ab, um sich von ihr an das dicke runde Fenster tragen zu lassen.
    Tatsächlich. Da draußen, im unwirklichen Zwielicht des endlosen Polartages, schwamm eine ganze Flotte. Charlotte kniff die Augen zusammen. Es waren nicht nur russische Schiffe. Täuschte sie sich, oder war das –?
    »Hey, hey!« Adrian war wieder da, fasste sie am Oberarm. »Der Arzt kommt gleich.«
    Charlotte deutete hinaus, auf eines der U-Boote, dessen Turm dunkel und wuchtig aus den Wellen ragte. »Ist das nicht eine amerikanische Flagge?«
    »Was?« Er spähte durch die Scheibe. »Hey, du hast recht. Das ist ja großartig!« Wie alle Amerikaner, die Charlotte kannte, empfand auch Adrian Cazar die Gegenwart von US-Streitkräften beruhigend. Dass sie auf ihrer Expedition bis jetzt die ganze Zeit mit dem russischen Militär zu tun gehabt hatten, war ihm im Grunde seiner Seele unheimlich gewesen.
    Der Arzt kam, ein junger Mann mit ausgeprägten Segelohren, der so unsicher wirkte, als habe er sein Studium erst letzte Woche beendet. Aber als Charlotte wieder zurück bei ihrem Bett war, zog er ihr die Kanüle mit geschickten Händen. »Warten Sie hier«, sagte er dann in kehligem Englisch. »Der Kapitän kommt. Er will … Ihnen Fragen stellen.«
    Adrian verzog das Gesicht, und als der Arzt wieder draußen war – die Infusion hatte er mitgenommen –, meinte er: »Na, hoffentlich bin ich bis dahin nicht verhungert.«
    Es dauerte keine fünf Minuten. Der Mann, der sich als Kapitän Erster Klasse Vladimir Korodin vorstellte, hatte eisgraue Haare und einen eisgrauen Blick. Er trug eine schlichte Uniform; sein eigentliches Rangabzeichen waren die drei Männer, die ihn begleiteten, mit ehrfürchtigem Blick jede seiner Bewegungen verfolgten und jede seiner Anweisungen mit gehorsamem Nicken aufnahmen.
    »Man hat mir gesagt, dass Sie Russisch sprechen«, sagte er, an Charlotte gewandt.
    »Da« , erwiderte sie. »Prawilno.«
    Der Kapitän stand am

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