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Herr der Diebe

Herr der Diebe

Titel: Herr der Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Funke Cornelia
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von einer Gondel gestohlen, sondern aus dem Kanal hinter dem Kino gefischt habe. »Glücksbringer, die man gestohlen hat«, sagte er, »bringen nur Unglück. Das weiß doch jeder.« Bo und Prosper teilten sich eine Matratze. Dicht aneinander gedrängt schliefen sie darauf. Neben dem Kopfende lag, sorgfältig aufgereiht, Bos Plastikfächersammlung: sechs Stück, alle noch gut erhalten. Am schönsten fand Bo immer noch den, den Prosper am Tag ihrer Ankunft am Bahnhof gefunden hatte. Der Herr der Diebe schlief nie bei seinen Schützlingen im Sternenversteck. Keiner von ihnen wusste, wo Scipio die Nächte verbrachte, und er redete nicht darüber. Ab und zu machte er geheimnisvolle Andeutungen über eine verlassene Kirche, aber als Riccio ihm einmal nachgeschlichen war, hatte Scipio ihn dabei erwischt und war so wütend geworden, dass niemand seither gewagt hatte, ihm auch nur nachzusehen, wenn er sie verließ. Sie hatten sich daran gewöhnt: Ihr Anführer kam und ging, wie er wollte. Manchmal tauchte er drei Tage hintereinander auf, dann wieder sahen sie ihn fast eine Woche nicht. Doch heute wollte er kommen. Fest versprochen hatte er es. Und wenn Scipio ankündigte, dass er kam, dann kam er auch. Wann, wusste man allerdings nie. Als Bo schon fast auf Prospers Schoß einschlief und die Zeiger von Riccios Wecker bald elf Uhr zeigten, krochen sie alle unter ihre Decken, und Wespe begann vorzulesen. Sonst tat sie das, damit sie einschliefen, um die Angst vor den Träumen zu verscheuchen, die in der Dunkelheit auf sie warteten. Aber an diesem Abend las Wespe, um sie wach zu halten, bis Scipio endlich kam. Die spannendste Geschichte suchte sie aus ihren Bücherbergen, während die anderen die Kerzen anzündeten, die in leeren Flaschen und Aschenbechern zwischen den Matratzen standen. In den einzigen Leuchter, den sie besaßen, steckte Riccio fünf ganz neue Kerzen, lang und schlank, aus bleichem Wachs. »Riccio?«, fragte Wespe, als alle schon gespannt um sie herumlagen und auf die Geschichte warteten. »Wo hast du denn die Kerzen her?«
Verlegen vergrub Riccio das Gesicht zwischen seinen Stofftieren. »Aus der Salute-Kirche«, murmelte er. »Da liegen mindestens hundert oder tausend von den Dingern rum, da macht es doch wirklich nichts, wenn ich ab und zu ein paar mitnehme. Was sollen wir dafür unser schönes Geld ausgeben? Ehrenwort…«, er grinste Wespe an, »ich werf der Jungfrau Maria auch immer für jede Kerze eine Kusshand zu.«
Wespe verbarg seufzend das Gesicht in ihren Händen. »Ach, komm, fang an zu lesen!«, sagte Mosca ungeduldig. »Kein Carabiniere wird Riccio dafür verhaften, dass er ein paar Kerzen klaut, oder?« »Vielleicht aber doch!«, murmelte Bo und schmiegte sich gähnend an Prosper, der sich abmühte, die Löcher in den Hosen seines kleinen Bruders zu stopfen. »Riccios Schutzengel darf ihn nämlich dabei nicht beschützen. Beim Kirchenkerzenklauen, mein ich. Nee, das darf er ganz bestimmt nicht.«
»Ach, was! Blödsinn. Schutzengel!« Riccio verzog verächtlich das Gesicht, aber etwas beunruhigt klang seine Stimme doch. Fast eine Stunde las Wespe vor, während draußen die Nacht immer schwärzer wurde und all die, die die Stadt am Tag mit Lärm erfüllt hatten, längst in ihren Betten lagen. Aber irgendwann rutschte ihr das Buch aus den Fingern und es fielen auch ihr die Augen zu. So schliefen sie alle tief und fest, als Scipio kam.
      

      

Prosper wusste nicht, was ihn geweckt hatte, Riccios Gemurmel im Schlaf oder Scipios leise Schritte. Als er hochfuhr, löste sich die schmale Gestalt aus der Dunkelheit, als träte sie aus einem bösen Traum. Kinn und Mund leuchteten hell unter der schwarzen Maske, die Scipios Augen verbarg. Die lange, gekrümmte Nase gab ihm das Aussehen eines gespenstischen Vogels. Ähnliche Masken hatten die Ärzte Venedigs getragen, als vor mehr als dreihundert Jahren die Pest in der Stadt wütete. Totenvögel. Lächelnd zog der Herr der Diebe sich das unheimliche Ding vom Gesicht. »Hallo, Prop«, sagte er und ließ das Licht seiner Taschenlampe über die schlafenden Gesichter der anderen streifen. »Tut mir Leid, dass es so spät geworden ist.«
Prosper schob vorsichtig Bos Arm von seiner Brust und setzte sich auf. »Irgendwann erschreckst du noch jemanden zu Tode mit dieser Maske«, sagte er mit gesenkter Stimme. »Wie hast du dich wieder hier reingeschlichen? Diesmal hatten wir wirklich alles verriegelt.«
Scipio zuckte die Achseln und fuhr sich mit schlanken

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