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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Sturmwinde über uns kamen, und wir tauchten so tief zu unseren Seiten ein, daß die Rahnocken die Wellen berührten. Auf den Masten tanzte ein unheimliches blaues Leuchten, das mich mit seiner Helligkeit blendete und in Schrecken versetzte. Doch ein Matrose beruhigte mich: »Das sind Elmsfeuer, die von göttlichem Schutz künden.« Er fiel auf die Knie und betete. Dies tat ich auch, und die See wurde wieder ruhig, und wir machten danach gute Fahrt.
    Die Hitze war groß, und das Deck war wie ein Backofen, und der Teer schmolz in den Fugen. Wir schliefen schlecht. Wir hatten wenig zu tun, und das war eine Versuchung. Und doch empfand ich bei dieser Überfahrt keine Pein. Ich verspürte Dankbarkeit, daß ich stark und gesund war und segeln konnte, in ein Reich der Delphine und des blauen Feuers und selbst der bleichen und leuchtenden Fliegenden Fische, von denen mein Bruder mir erzählt hatte, als ich ein Junge war, und die ich nun mit eigenen Augen sah, als sie über die Brandung des Meeres aufstiegen.
    Nach dreißig Tagen sichteten wir Land. Die dunkle Linie vor uns war Brasilien.
    Ich schaute zu jenem Land hinüber, und eine Art Benommenheit kam über mich und solch eine Ekstase, wie sie sonst wohl nur die Dichter empfinden. Denn vor meinem geistigen Auge sah ich, wie sich die Länder westlich von Brasilien immer weiter bis zum Sonnenuntergang ausdehnten, weit über Peru hinweg, und ich wußte von den Berichten meines Bruders Henry, daß dahinter die große Südsee lag und auf der anderen Seite dieser See solche Orte wie Cathay { * } und die japanischen Inseln und dann Afrika. Kurz gesagt, ich hatte eine Vision der ganzen Erde als eine einzige Kugel, Meile auf Meile voller Wunder, Gottes eigene Pracht an Wundern. Und ich hatte eine andere Vision, wie Englands kühne Männer auf diesen Meeren zu allen Ecken der Weltkugel segelten, die Flagge hißten, sich Häuser bauten und unseren Wohlstand und Ruhm vergrößerten. Wie wunderbar war es, in solch einer Zeit, in solch einem großen Abenteuer zu leben!
    Und dann erinnerte ich mich, daß ich nur ein mittelloser Mann aus Essex war, der nichts weiter wollte als eine Frau und ein Gut, und daß ich zu diesem fremden Ort gekommen war, um den Spaniern und Portugiesen das Gold zu rauben, das sie ihrerseits von den Indianern geraubt hatten. Und ich lachte über meine eigene geschwollene Erhabenheit und schickte mich an, ein Segel loszumachen und besser anzuschlagen, was an diesem Tage meine Aufgabe war.
    Wir fuhren die Küste Brasiliens entlang, bis wir nach Ilha Grande südlich des Äquators kamen. Dies ist eine schöne, sich auftürmende Insel, überaus grün und üppig vor Bäumen. Wir legten auf der Festlandseite an und schleppten unsere Schiffe an den Strand, säuberten sie und trugen den Ballast hinaus, damit wir die Kielräume schrubben konnten, eine üble Aufgabe, doch eine nötige. Wir erfrischten uns und nahmen Süßwasser auf. Obwohl dieser Teil der Insel sehr reich an Früchten ist, sahen wir keine Bewohner. Wir waren etwa zwölf Tage dort, als eine kleine Pinasse auf südlichem Kurs vorbeifuhr, um Wasser und einige Früchte aufzunehmen. Wir überraschten sie in unserem Hafen, brachten sie auf und nahmen einen portugiesischen Händler gefangen, der um sein Leben zu fürchten schien.
    Abraham Cocke schickte nach mir und sagte: »Ihr sprecht die portugiesische Zunge. Fragt ihn, wann die Schatzschiffe kommen.«
    Nun hatte sich auf das Portugiesisch, dessen ich mächtig war, im Lauf der Jahre Rost gesetzt, und dieser Portugiese war so verängstigt, daß er sich beinahe die Hosen vollschiß, und er bekam die Zähne nicht auseinander, als er zu sprechen versuchte. So verlief unser Gespräch wie das zwischen den beiden Blinden, die sich streiten, ob der Himmel rot oder grün sei. Doch die Worte fielen mir wieder ein, genug jedenfalls, um ihm zu versichern, daß wir ihn nicht erschlagen würden, wenn er nur ehrlich mit uns sei. Selbst dann erschauderte er nur unablässig und betete und leierte hundert Mal alle Heiligen herunter.
    »Er ist vor Angst nicht bei Sinnen«, sagte ich Cocke.
    Der Kapitän nickte. »Weil er weiß, was geschehen würde, wenn es andersherum wäre und ein Engländer einem Schiff voller Portugiesen in die Hände gefallen wäre. Sagt ihm, wir hätten es schon lange aufgegeben, Papisten zu verbrennen, und wir wollten nur Informationen von ihm und nicht seine Seele.«
    Ich sprach, so gut ich konnte, und schließlich beruhigte sich der Mann und sagte,

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