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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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ein, takelte die Segel auf und stach scharf ins offene Meer.
    Ich konnte es nicht glauben. Ich wagte nicht zu rufen, da ich wußte, daß ich damit nur die Indianer anlocken würde, und der Wind hätte meine Stimme sowieso verweht. Doch etwas in meiner Seele schrie laut auf und noch lauter, so daß ich glaubte, meine Stirn würde unter dem Tosen und Donnern platzen. Verrat! Feigheit! Hatte Cocke mich vergessen, oder hatte er sich vor Schrecken die Hosen so naßgepißt, daß er keinen Versuch machte, mich zu retten, oder war es ihm einfach gleichgültig? Was auch immer – es kam dabei heraus, daß er mich im Stich gelassen hatte.
    Jesus! Wie wollte ich in meinem Zorn toben und zetern und zerstören!
    Doch ich bin weiß Gott ein Mann von Ausgeglichenheit und mäßigen Temperaments, und mein erster heißer Zorn verging schnell, und ich überdachte meine Lage. Vielleicht waren andere, die das gleiche Schicksal erlitten hatten, in der Nähe. Ich kauerte mich neben einer Pflanze nieder, die nur aus Stacheln und Dornen bestand, damit die Indianer mich nicht sahen, die noch immer den Strand absuchten, und dachte nach.
    Primus: Cocke hatte mich vielleicht nicht gänzlich im Stich gelassen. Vielleicht würde er seine Männer zählen, wenn er sich in sicherer Entfernung zum Ufer befand, und wenn er feststellte, daß einige vermißt wurden, würde er sich erinnern, daß er ein paar zurückgelassen hatte, die Früchte sammeln sollten, und würde zurückkommen. Vielleicht. Und vielleicht würde die Königin den Papst heiraten, doch ich hatte nicht vor, eine hohe Heuer darauf zu setzen.
    Secundus: Solange ich lebte, war ich noch nicht tot, wenn auch gestrandet. Ich mußte versuchen, zu überleben und andere Engländer zu finden, oder mir eine Art Boot bauen, mit dem ich das Festland erreichen konnte. Denn wir waren nur fünf Meilen von Santos entfernt, wo die Portugiesen eine Stadt von beträchtlicher Größe erbaut hatten.
    Tertius: Wenn ich Verbündete hatte, konnte ich in Santos vielleicht eine Pinasse kapern und aus dem portugiesischen Herrschaftsbereich segeln. Denn die Portugiesen waren meine Feinde, seit König Philip von Spanien vor neun Jahren ihr Land erobert und sich selbst auch zum König darüber gemacht hatte. Wenn ich meinen Verstand zusammenhielt, würde ich es sicher zu einer französischen oder holländischen Insel schaffen, wenn es solche geben sollte, wo ich zumindest nicht auf der Stelle eingekerkert werden würde. Und wenn Gott mir beistand, würde ich auf See einem englischen Schiff begegnen und gerettet werden, wie es Abraham Cocke selbst vor ein paar Jahren geschehen war. Vom einen Augenblick zum anderen kann unser Leben einen völlig anderen Verlauf einschlagen, während wir ihm gerade den Rücken zuwenden.
    Aus Furcht vor den Indianern verbrachte ich die Nacht auf dem Hügel. Ich bereitete mir ein Abendessen aus purpurnen Früchten und schlief in kurzen Abschnitten, wobei ich mir sozusagen selbst Wache stand, nun wach und dann wieder leicht schlafend. Am Morgen schien alles ruhig, und es waren nirgendwo Indianer zu sehen, aber auch nicht die May-Morning, von der nicht einmal ein weißer Fleck am fernen Horizont auszumachen war.
    Ich ging vorsichtig den Hang hinab zum Strand, wobei ich an den teuflisch bewehrten Pflanzen oft mit der Hose hängenblieb. Sechs unserer Männer lagen von Pfeilen getötet da. Männer, deren Namen ich gekannt und deren Freundschaft ich geschätzt hatte. Ihre Körper waren verzerrt und im Todeskampf verdreht, was mir verriet, daß die Pfeile in Gift getaucht gewesen sein mußten, wie es hier Brauch ist.
    Ich entschloß mich, die Toten am Nachmittag zu begraben, doch das war einer dieser kühnen Entschlüsse, die leichter zu fassen als zu halten sind, denn bis auf meine Hände und ein paar Muscheln hatte ich nichts, womit ich graben konnte, und ein Grab muß sechs Fuß tief sein. Ich stellte diese Aufgabe für eine spätere Zeit zurück.
    Ich ging am Strand entlang, bis ich eine kleine Landspitze erreichte, wo das Ufer felsig war. Als die Flut hinausging, sah ich hier kleine Lebewesen, die sich auf dem Schlick bewegten, und als ich näher trat, erblickte ich viele Krebse, die in Löchern in den Felsen lebten. Ich zog einen meiner Strümpfe aus, füllte ihn mit Krebsen und trug ihn zu einem hohlen Feigenbaum, in dem ein altes Feuer rauchte, das von einem Blitzeinschlag herrührte. Ich warf die Krebse auf die Kohlen und kochte sie mir zum Mittagessen, und so verging der Tag. Und

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