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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Vater wollte es nicht zulassen. »Thomas ist tot«, sagte er, »und John ist nach Irland geflohen, und Henry segelt mit Drake, und ich will einen Sohn für England.« Ich hätte ihm widersprechen können, hatte jedoch kein Herz dazu. Er war plötzlich alt geworden, und er verbot es mir weniger, als daß er darum flehte, und wie hätte ich ihm seinen Wunsch abschlagen können?
    Also fuhr Henry Battell in kurzen drei Jahren mit Drake durch die Magellanstraße und hinauf nach Valparaiso und weiter, um das Gold von Peru zu plündern, und hinaus in die Südsee zu den Gewürzinseln und nach Java und Afrika und wieder nach Hause, wobei Henry seinen linken Arm zurückließ, der auf irgendeiner tropischen Insel von einem Giftpfeil entzündet worden war. In dieser Zeit segelte Andrew Battell vier Mal nach Antwerpen und drei Mal nach Schweden und einmal nach Genua. Was wohl keine kleinen Fahrten sind, aber nichts im Vergleich mit denen zu den Gewürzinseln oder Java, und oft dachte ich traurig an Drakes Voraussage, wie weit ich reisen sollte. Wer könnte schon weiter fahren als Henry, der die Erdkugel umsegelt hatte?
    Doch es gibt eine Reise ins Äußere und eine ins Innere, wie ich noch lernen sollte, und meine zwanzig Jahre in das Innere des Herzens der afrikanischen Grausamkeit führten mich in der Tat weiter, als Drake selbst jemals hätte fahren können, wie ich noch berichten werde.
    Und doch, als Drake und seine Männer nach Hause gekommen waren, dachte ich, meine Tage auf See seien vorbei. Ich war zweiundzwanzig, und durch Sparsamkeit und Schweiß hatte ich mir mein Gut verdient, und ich hatte mein Land, und ich hatte meine Frau. Ihr Name war Rose Uliward aus Plymouth, und sie war klein und dunkelhaarig, mit funkelnden Augen. Ich erröte, wenn ich Euch sage, daß das fast alles ist, woran ich mich bei ihr erinnere, abgesehen davon, daß sie ein Schankmädchen in dem lizenzierten Haus war, das ihr Vater bei den Docks führte. Wir lebten ein Jahr und ein paar Monate als Mann und Frau.
    An jenem Frühlingstag im Jahre 1581, als Königin Bess Francis Drake zum Ritter schlug, fuhren wir gemeinsam nach Deptford hinauf; weil mein Bruder ein Mann der Golden Hind war, durften wir an Bord gehen, und ich stand so nahe neben der Königin, daß ich die Pockennarben auf ihrer Wange sehen konnte. Sie war eine schöne, königliche Frau, ziemlich groß und stattlich, und ich weinte beinahe, weil ich ihr so nahe war. Eine große Menge war an jenem Tag zusammengekommen, so daß die Brücke, die vom Ufer zum Schiff führte, zusammenbrach und zweihundert Leute in die Themse stürzten, wobei niemand verletzt wurde oder ertrank. Ich sprang hinein, um mehrere zu retten, und auch Henry, der tapfer mit seinem einen Arm um sich schlug.
    Sir Francis umarmte mich, als ich danach auf Deck erschauderte, und sagte: »Ich kenne dich, Bursche«, was mich erstaunte, denn wir hatten einander nur einmal gesehen, und das schon vor vielen Jahren. Doch die Männer meiner Familie haben alle ein Gesicht gehabt, und er muß Henry in meinen Zügen gesehen haben. Es war ein glücklicher Augenblick.
    Bald schwoll der Leib meiner Rose, was mir Freude, doch auch Furcht bereitete, denn ich erinnerte mich, wie meine Mutter mit mir im Kindbett gestorben war. Solch unangebrachte Sorgen! Während wir uns den Kopf über eingebildete Gefahren zerbrechen, sehen wir oftmals nicht den wirklichen Feind, der sich an uns heranstiehlt. Drei Monate vor ihrer Zeit erkrankte Rose an den Blattern und verstarb schnell an ihnen, und mein ungeborenes Kind mit ihr. Im gleichen dunklen Jahr starb mein Vater in seinem dreiundsechzigsten Lebensjahr am Schlag.
    Ich habe niemals solch eine Leere gekannt. Es war das einzige Mal in meinem Leben, daß mein ganzer Mut, meine ganze Zuversicht, alle Kraft mich verlassen hatten. Ich ging umher wie in einem Traum, ohne Frau und Kind und vaterlos. Wenn ich jetzt zurückblicke, verwirrt mich meine Torheit, doch das ist wohl das überharte Urteil eines alten Mannes. Ich glaube, als ich in meiner Verzweiflung ertrank, muß ich geglaubt haben, vom Schicksal betrogen worden zu sein, beraubt aller schönen Versprechen, die das Leben angeboten hatte, und ich war nicht imstande zu begreifen, daß man immer wieder von vorn anfangen, sich immer wieder ein neues Leben aufbauen kann.
    In meinem törichten Leid suchte ich die Tavernen auf, vernachlässigte mein Gut, vertrank meine Ersparnisse und auch die sechs Pfund, die ich von meinem Vater geerbt hatte, und mit

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