Herr der Finsternis
solch einer Summe kann man sehr viel trinken, und schließlich war alles fort, und die Büttel kamen, um mir zu sagen, daß ich mein Land verloren hatte. Ich glaube, es war Gottes Weg, mich merken zu lassen, daß ich für die Seefahrt bestimmt war, doch selbst dann verstand ich die Botschaft noch nicht und unterzeichnete in Leigh als Kanzlist im Zollhaus. Ich war kaum vierundzwanzig und dachte, mein Leben sei schon fast zu Ende, obwohl es in Wahrheit kaum begonnen hatte.
Auf ihrem tiefsten Stand wechseln die Gezeiten. Im Jahre 1586, nach einer unendlich schrecklichen Zeit dieses wandelnden Schlafs, kam ich wieder zu Sinnen, schaute mich um und sah, daß die Welt noch immer wunderschön war, und schickte mich an, das Leben von neuem zu entdecken. Ich verliebte mich, ich versprach mir feierlich, wieder zu heiraten, und begann wieder damit, Geld zurückzulegen, um mir ein Gut kaufen zu können; kurz gesagt, die Reihe der Niederlagen und die dunkle Schwermut in mir hatten ein Ende gefunden. Und aus diesen neu erweckten Hoffnungen fiel es mir leicht, meine lange aufgegebene Laufbahn auf See wieder aufzunehmen, denn wie sonst konnte ich schnell zu dem Wohlstand kommen, den ich brauchte? Und Schritt um Schritt machte ich mich unwissend auf den Weg, der mich für so viele Jahre lang fern der Heimat führen würde, nach Afrika, zu der Pein, mit der die Portugiesen mich belegten, zu den Königshöfen des Kongo und von Angola, zu den Dschungeln der Coccodrillos und Elephantos und den weiten Ebenen voller Zevveras und Gazellen; ich trat meine lange Reise an die Seite dieses diabolischen Jaqqa-Kannibalen an, Imbe Calandola, Inkarnation des Herrn der Finsternis, dessen Stellvertreter ich wurde und dessen monströse Weisheit mir bis zu diesem Tage wie schreckliche dissonante Musik in der Seele klingt.
2
Wie es dazu kam? Nun, ich verliebte mich. Ihr Name war Anne Katherine Sawyer. Sie war erst fünfzehn. Ihr Haar war golden, nicht bloß gelb wie meins, sondern das goldene Gold des Goldes von Ophir, und ihre Haut war hell, und ihre Lippen waren süß. Sie war die Tochter des Zollvorstehers. Ich hatte sie als hübsches Kind dort gesehen, und dann erwachte ich eines Tages, sah, daß sie kein Kind mehr war, und fühlte, wie das Blut, das seit dem Tag, da meine Frau Rose die Augen geschlossen hatte, langsam und träge gewesen war, wieder durch meine Adern raste. Ich spazierte mit Anne Katherine an den Docks entlang, ich sprach mit ihr über Antwerpen und Moskau, ich erzählte ihr von meinem Bruder, der mit Drake gesegelt war, und von meinem Vater, der bei Nombre de Dios den spanischen Schatz geraubt hatte, und ich berührte eines Tages ihre Schulter und am nächsten ihren Ellbogen und an dem darauf ihre Hand, wie ein Junge, der befürchtet, sein Mädchen mit zu viel Kühnheit zu erschrecken.
Etwas kokett war sie schon, und als die Dinge dringlicher wurden, hielt sie mich mit Leichtigkeit von ihrem Körper fern, als ich sie das erste Mal versuchte. Doch das Verlangen brennt in einer Frau genau wie in einem Mann – laßt Euch von keinem Tor etwas anderes erzählen! –, und schließlich gab sie mir ihren Jungfrauenschatz hin, was nicht schändlich war, wußte ich doch, ich würde sie zur Frau nehmen. Ich gab ihr als Zeichen meiner Hingabe die Perle an der Kette, die ich vor langer Zeit von meinem Bruder geschenkt bekommen hatte. Den ganzen nächsten Tag über war ich wie benommen von der Erinnerung an meine Hände auf ihren samtenen Schenkeln und meinen Lippen an ihren runden, hellen Brüsten, und das Geräusch, das sie machte – sanft, leise –, als ich schließlich in sie drang. Und ich träumte davon, solche Dinge Nacht für Nacht zu tun, alle Nächte unseres gemeinsamen Lebens.
Doch zuerst galt es, wieder Geld zurückzulegen und Land zu kaufen, vielleicht sogar das gleiche, das ich zuvor durch meine Torheit verloren hatte. Und es war auch unziemlich, sie so jung zu heiraten; sechzehn oder siebzehn wäre ein angemesseneres Alter. Ich sah mich nach einer Stellung auf einem Handelsschiff um, doch es bot sich nur wenig an, da die Zeiten in England damals schwer waren. Man konnte sich noch nicht einmal der Piraterie widmen. Fürwahr, im Frühjahr 1587 hatte Drake des spanischen Königs Bart versengt, war kühn in die Häfen von Cadiz und Lissabon gesegelt und hatte Dutzende von Schiffen versenkt, doch danach hatte ihm die Königin aus Furcht vor Krieg abgenötigt, zu Hause zu bleiben. Und dies tat ich ebenso, zu arm, um zu heiraten,
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