Herr der Krähen
handelt oder wie sie aussieht, aber das ist kein Problem. Wir haben einen sehr kooperativen jungen Mann, der sie für uns identifizieren wird. Sikiokuu hält große Stücke auf ihn. Um Ihnen die Wahrheit zu sagen, und ich spreche jetzt als gut ausgebildeter Polizist und Fachmann, ich halte nicht viel von diesen Typen von der Jugendbrigade, die glauben, sie wüssten alles. Trotzdem sind wir als Polizei auf die Hinweise unserer Informanten angewiesen, und dieser Kaniũrũ scheint seine Nase gut eingesetzt zu haben, um diese Frau aufzuspüren.“
Nyawĩra hatte das Gefühl, als wiche alle Energie aus ihr. Sie hatte Angst, die Knie könnten unter ihr nachgeben, aber sie nahm alle Kraft zusammen, damit ihr Gesicht oder ihre Stimme sie nicht verrieten. Sie stellte ihm ein paar Fragen, um herauszufinden, wie viel er über sie wusste. Sie war dankbar, für den Herrn der Krähen gehalten zu werden, und wollte diese Rolle weiterspielen, was auch geschah.
„Dieser John Nose, wo steckt er denn jetzt?“, fragte Nyawĩra.
A.G. brach in Gelächter aus, was Nyawĩras Beklommenheit noch verstärkte. Sie hatte nicht die Absicht gehabt, einen Witz zu machen. Spielte er Katz und Maus mit ihr?
„Sir Madam Herr der Krähen“, sagte A.G. zu Nyawĩras Erleichterung, „wir von der Polizei haben ihm denselben Spitznamen verpasst: Johnny, die Nase, und sobald einer von uns diesen Namen erwähnt, müssen wir immer lachen. Trotzdem unterschätzen wir ihn nicht – oh, nein, ich bestimmt nicht. Er ist ziemlich gerissen. Schließlich war er es, der uns diese Nyawĩra geliefert hat. Er sitzt gerade mit zweien meiner Leute, Kahiga und Njoya, im Mars Café. Ich muss jetzt los, und ich will Sie nicht aufhalten“, setzte A.G. entschuldigend hinzu. „Ich bin überzeugt, dass Sie viel zu erledigen haben, aber wenn Sie wieder im Schrein sind, werde ich auf Ihre Einladung zurückkommen und wegen des mächtigeren Zeugs bei Ihnen vorsprechen“, sagte A.G. und ging, immer noch lachend und den Namen „John Nose“ vor sich hinmurmelnd.
Nyawĩra tat, als würde sie den nächstgelegenen Laden betreten, wollte aber nur einen besseren Blick in die Richtung haben, die A.G. genommen hatte. Eine Sekunde spielte sie mit dem Gedanken, am Mars Café vorbeizugehen und herauszufinden, ob Kaniũrũ tatsächlich dort saß. Das aber wäre, als steckte man den Finger in ein Hornissennest. Sie verließ das Geschäft und gab vor, weiter in ihre ursprüngliche Richtung zu gehen. An der nächsten Straßenecke bog sie schnell ab.
„Nie war ich dankbarer dafür, dass so viele Menschen auf Eldares’ Straßen unterwegs waren“, erzählte Nyawĩra Kamĩtĩ.
5
Wäre Nyawĩra am Mars Café vorbeigegangen, hätte sie vielleicht eine Spur Verunsicherung an Kaniũrũs Art ablesen können, die Zeitung umzublättern. Meist hatte er den Blick auf den Gehsteig und die Straße vor Tajirikas Büro geheftet und ärgerte sich, wie lange es dauerte.
Seine Gedanken beschäftigten sich mit den Veränderungen in seinem Leben, wenn er erst einmal den Lohn für seine Heldentat eingefahren hatte. Er schaute ständig auf die Uhr und wurde immer wütender auf Nyawĩra, als betröge sie ihn. Sie ist immer pünktlich zur Arbeit gekommen. Warum nicht heute? Wie kann sie mir das antun? Wenn ich nur wüsste, wo sie wohnt! Ich würde ihr Haus in Schutt und Asche legen.
Kahiga und Njoya, A.G. ’s Spitzel, saßen da und warteten und hofften auf Kaniũrũs Zeichen, das einfach nicht kam. Wusste der Informant wirklich Bescheid? Sie hatten bereits so viel Kaffee getrunken, dass sie glaubten, sich jeden Augenblick übergeben zu müssen. Auch sie wurden immer ungeduldiger.
Am frühen Nachmittag stand fest: Irgendetwas lief hier schief, und man entschied, ein Polizist, den in dieser Gegend niemand kannte, solle unter äußerster Vorsicht und ohne Verdacht zu erregen, in Tajirikas Büro gehen. Er war nach kürzester Zeit zurück und keuchte vor Erregung. Im Büro war eine Frau. A.G. ignorierte Kaniũrũ und gab seine Befehle. Njoya und Kahiga handelten unverzüglich und verhafteten die einzige Frau im Büro.
Man erzählte sich, Sikiokuu sei, als er erfuhr, dass es sich bei der Verhafteten um Vinjinia handelte, zu seiner eigenen Überraschung nicht entmutigt gewesen. Im Gegenteil: Er sank auf die Knie und zupfte sich aus Dankbarkeit für die unerwartete Wende der Ereignisse an den Ohrläppchen. Danke, Herr des Himmels, dass du mir etwas in die Hand gegeben hast, um meine Haut zu retten und meinen
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