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Herr der Krähen

Herr der Krähen

Titel: Herr der Krähen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong
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kommt oft auf einen Kaffee hierher. Aber gestern und heute habe ich sie nicht gesehen.“ Aus Tajirikas Angst wurde Entsetzen. Welche Verbindung bestand zwischen Vinjinia und Nyawĩra? Warum fahndete die Polizei nach einer oder beiden?
    Er ging zurück ins Büro und versuchte, seinen Freund Machokali anzurufen, konnte ihn aber nicht erreichen und ließ dem Minister ausrichten, er solle zurückrufen. Er blieb und wartete auf einen Anruf, der nicht kam. Abends versuchte Tajirika von seinem Haus in Golden Heights aus, den Minister zu erreichen. Er wählte alle Nummern, die er kannte, auch die Mobilnummer, aber vergeblich.
    Am dritten Tag beschloss er, Inspector Wonderful Tumbo anzurufen, den Chef der Polizeiwache von Santamaria. Tajirika betrachtete Officer Tumbo als guten Freund. Ihre Freundschaft beruhte auf gegenseitigem Vorteil. In regelmäßigen Abständen überbrachte Tajirika dem Polizisten seine guten Wünsche, die er in Burĩ-Scheine einwickelte und in einem Umschlag verstaute. Manchmal beinhaltete das Kuvert gute Wünsche für ein Frohes Weihnachtsfest und ein erfolgreiches Neues Jahr für den Polizeichef und die gesamte Wache. Über Tumbo stellte er auch den Kontakt zu den unteren Dienstgraden der Armee her. Ohne besonderen Grund, einfach nur, um unsere Jungs in Uniform zu unterstützen, wie er sich ausdrückte. Es war selbstverständlich, dass die Polizei im Gegenzug Tajirikas Interessen im Auge behielt und dem Geschäftsmann nützliche Informationen weiterleitete, die ihm halfen, seine Geschäfte dem gerade herrschenden politischen Wind anzupassen. Und was das Militär anging, so wusste man in Afrika nie so genau. Als der Officer Tajirikas Stimme am Telefon erkannte, ließ er ihn so lange in der Warteschleife schmoren, bis Tajirika auflegte. Als er später erneut anrief, wurde ihm mitgeteilt, der Officer sei sehr beschäftigt.
    Später, am Abend, kam Officer Tumbo bei Tajirika zu Hause vorbei; er hatte ein geborgtes Auto, trug Zivil, einen falschen Schnurrbart und einen eiförmigen Hut auf dem Kopf. Der Officer versuchte erst gar nicht, seine Verkleidung zu erklären, sondern kam gleich zur Sache. Tumbo berichtete Tajirika, seine treue Sekretärin Nyawĩra stehe wegen der Schmach von Eldares auf der Fahndungsliste. „Und was ist mit meiner Frau? Was ist mit Vinjinia?“, wollte Tajirika wissen, als der Polizist bereits gehen wollte, ohne ihren Namen überhaupt erwähnt zu haben. Officer Wonderful Tumbo schien ehrlich überrascht, als wäre diese Nachricht auch für ihn neu. Nachdem Tajirika ihm ihr geheimnisvolles Verschwinden beschrieben hatte und versichert hatte, dass sein Büro verschlossen und ihr Mercedes vor dem Büro geparkt war, sagte der Officer, dass jeder, der mit Nyawĩra Kontakt gehabt habe, unter Verdacht stünde, und Vinjinia sich deshalb – aber das wäre nur seine Vermutung – im Gewahrsam der politischen Polizei im Büro des Herrschers befinden könnte. Kürzlich sei eine neue Einheit ins Leben gerufen worden, die gegen die Mitglieder der Bewegung für die Stimme des Volkes vorgehen solle, und alles, was Tajirika gesagt habe, deute darauf hin, dass sie ihre Hände im Spiel hätten – er sei sich dessen jedoch nicht sicher. Tumbo schien das Haus nun fluchtartig verlassen zu wollen. Er war bereits an der Tür, als er sich noch einmal umdrehte und Tajirika bat, ihn nicht mehr auf der Wache anzurufen. Gleichzeitig versprach er, ihn über alle Neuigkeiten zu informieren.
    Tajirika war noch verwirrter als vor Tumbos Besuch. Wie konnte ich eine Staatsfeindin einstellen? Er ließ die Zeit, in der Nyawĩra für ihn gearbeitet hatte, Revue passieren. Sie war eingestellt worden, kurz nachdem man ihn ins Komitee berufen hatte, das schließlich das Projekt Marching to Heaven ausarbeitete. Wie konnte eine Frau, die so schön war, so höflich, so gesittet, so fleißig, so akribisch, in einer subversiven Bewegung mitmachen? Oder hatte sie ihm die ganze Zeit etwas vorgespielt? Ja, so musste es gewesen sein.
    Wie konnte er Nyawĩras Heuchelei übersehen? Es gab doch Anzeichen dafür, er war nur zu blind gewesen, sie zu sehen. Warum zum Beispiel, setzte eine so schöne Frau ihr gutes Aussehen nicht zu ihrem Vorteil ein, wie andere das heutzutage taten, sogar schon an der Universität?
    Nyawĩras Augen hatten niemals kokett geleuchtet. Weder mit Worten, Gesten oder Blicken lud sie zu zweideutigen Späßen und Kommentaren ein, die oft die Schleusen zu oberflächlicher Leidenschaft öffnen. Frauen mit

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