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Herr der Krähen

Herr der Krähen

Titel: Herr der Krähen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong
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warteten. Sie standen in Fünfergruppen zusammen, um die neue Vorschrift über die Länge von Warteschlangen an öffentlichen Plätzen einzuhalten. Sein Zorn steigerte sich. Einige von ihnen waren auch in seinem Büro gewesen, um sich mit Briefumschlägen zu empfehlen. War der Verkehr der Gunstkäufer von seinem Büro zu dem seines Stellvertreters umgeleitet worden? Erhielt er, Tajirika, deshalb keine Anrufe mehr, in denen man ihn bat, ihm seine Aufwartung machen zu dürfen? War der Zustrom von Briefumschlägen in sein Büro der Eldares Modern Construction and Real Estate deshalb versiegt? War es also Kaniũrũ, der den Flusslauf seines Glücks umgeleitet hatte?
    Tajirika hätte sich in diesem Augenblick nichts sehnlicher gewünscht, als Kaniũrũ zu erwürgen. Jetzt dort hineinzugehen, ergab keinen Sinn. Kaniũrũ wäre am Ende sogar so unverfroren, sich einzubilden, Tajirika wäre ein weiterer Bittsteller mit Briefkuvert. Nein, die mögliche Demütigung, sich erklären zu müssen, konnte er sich nicht erlauben. Er war außer sich, als er zu seinem Auto zurückkehrte. Er war nicht einmal fähig, seinem Fahrer die Anweisung zu geben, ihn zum Büro zurückzufahren, und machte es ihm stattdessen durch Gesten deutlich.
    Wenn er nur seinen Freund Machokali erreichen könnte! Warum hatte der Minister ihn nicht von Amerika aus angerufen? Bei ihrem letzten Treffen im Mars Café hatte der Minister gesagt, er würde sich ab und zu melden, um Neuigkeiten über die Aktivitäten seiner politischen Gegner zu erfahren. War das etwa keine Aktivität, über die Machokali Bescheid wissen und über die er sogar mit dem Herrscher sprechen sollte, um Sikiokuu und Kaniũrũ davon abzuhalten, die Geschäfte anderer Leute zu übernehmen? Er befürchtete, der Erfolg dieser beiden, den Chef von Marching to Heaven auszuschalten, könnte sie ermutigen, höhere Posten ins Visier zu nehmen … Nein, über die Möglichkeit eines Staatsstreichs durch Sikiokuu wollte er nicht nachdenken; er würde verrückt werden.
    Tajirika beschloss, dass er der Vorladung vor den Untersuchungsausschuss nicht folgen würde, solange sein Freund Machokali und der Herrscher in den USA waren, und mit dieser mutigen Entscheidung gewann er seinen inneren Frieden zurück. Er gab dem Fahrer die Anweisung, doch nicht zum Büro zurückzufahren, sondern ihn zu seinem Haus in Golden Heights zu bringen.
    Sie holten ihn um Mitternacht, Männer in Zivil. Wie einen Baumstamm warfen sie ihn auf die Ladefläche eines Land Rovers und ignorierten das Flehen Vinjinias. Sie sprachen kein Wort, wiesen sich nicht aus. Sie fuhren in die Dunkelheit davon und ließen Vinjinia in Finsternis und Stille an der Eingangstür stehen.

11
    Vinjinia lag wach und wusste nicht, was sie von der ganzen Sache halten, geschweige denn, was sie unternehmen sollte. Waren die Entführer Tajirikas tatsächlich von der Polizei? Oder waren es gewöhnliche Verbrecher, die so taten, als wären sie Polizisten in Zivil? Was hatte Tajirika angestellt, das zu verdienen? Seit ihrer Rückkehr aus der Polizeihaft war sie mit der Beziehung zu ihrem Mann alles andere als zufrieden. Kälte hatte sich zwischen ihnen breitgemacht. Kaum, dass sie noch miteinander redeten, und wenn doch, dann verlangte Tajirika nur, Vinjinia solle noch einmal die Fragen durchgehen, die ihr während der Verhöre gestellt worden waren, von denen aber auch nur die, die ihn und seine Geschäfte betrafen.
    Wie Vinjinia sich gefühlt hatte, als die Polizei sie verhaftete, was sie gedacht hatte, während sie sich in ihrer Gewalt befand, wie sie mit dieser Nervenprobe zurechtgekommen war, darum ging es Tajirika eindeutig nicht. Am meisten schmerzte sie der Verdacht, dass er wohl glaubte, sie wäre schuldig und hätte sich heimlich mit den Frauen zusammengetan, die Schande über den Herrscher und Marching to Heaven gebracht hatten. Anders als ihr Mann aber blieb sie den neuerlichen Nöten ihres Partners gegenüber nicht gleichgültig.
    Sie begann mit ihren Nachforschungen in der Polizeiwache Santamaria, weil deren Chef Wonderful Tumbo ein Freund der Familie war. Allerdings wusste sie nicht, dass Tumbo, als er sie von Weitem kommen sah, durch die Hintertür verschwand. Die Männer, die Vinjinia im Büro antraf, verhielten sich, als würden sie Vinjinias Geschichte nicht glauben. Wer wäre so verrückt, Tajirika zu verhaften, den Besitzer der Eldares Modern Construction and Real Estate, Freund des Außenministers und Vorsitzenden von Marching to Heaven?

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