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Herr der Krähen

Herr der Krähen

Titel: Herr der Krähen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong
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kein auffälliges Interesse an den Tag. Sag ihnen, du willst nur Sikiokuu sprechen, um herauszufinden, wo er deinen Ehemann versteckt hält. Bleib standhaft und weigere dich zu gehen, bevor er dir nicht gezeigt hat, wo er den Leichnam deines Mannes vergraben hat. Wenn man deinen Forderungen nachgibt, dann geh sofort nach Hause und zeige erneut keinerlei Interesse an dem, was um dich herum vor sich geht.“
    „Ist das alles?“
    „Das ist alles.“
    „Sie meinen, ich muss keine Zaubertränke bei mir haben?“
    „Der Zauber, der in dir selbst ruht, ist der mächtigste.“

14
    Seit dem Moment, in dem Kaniũrũ den Tag erfahren hatte, an dem Sikiokuu die Eröffnungsfeier veranstalten würde, hatte er überall nach Tänzerinnen Ausschau gehalten, die die Zeremonie bereichern könnten, jedoch vergeblich. Man verachtete ihn und niemand wollte in der Öffentlichkeit mit ihm zu tun haben. Wie aber sollte er ohne Tänzerinnen Sikiokuu und die Medien beeindrucken? Aber dann, nur wenige Tage vor der Zeremonie, klopfte das Glück an seine Tür.
    In seiner großen Verzweiflung schaute er beiläufig aus dem Fenster seines Büros, als draußen eine Frau auftauchte, mit einem langen Lederrock mit Schürze, darüber ein Oberteil in rötlichem Ocker sowie zwei Perlenbündel, die an ihren Ohrläppchen hingen. Er eilte hinaus, um ihr die Tür zu öffnen.
    Im Korridor war es dunkel, aber als er sie sagen hörte, sie würde eine Nachricht von einer Tanzgruppe überbringen, freute sich Kaniũrũ so sehr darüber, dass er wie ein kleines Kind auf der Stelle zu hüpfen begann und der Frau schwor, persönlich dafür zu sorgen, der Gruppe zwei nagelneue Busse zur Verfügung zu stellen, mit denen sie ihr eigenes Transportunternehmen aufmachen könnten, wenn sie ihm wirklich eine Tanzgruppe für eine Vorstellung vor Sikiokuu besorge.
    Er war so aufgeregt über diesen neuerlichen Glücksfall, dass er kaum Fragen über die Frau und ihre Gruppe stellte, um diese glückliche Fügung nicht zu verscheuchen.
    Kaniũrũ rief persönlich bei den Zeitungen, beim Radio und bei den Fernsehsendern an, um sie über das Ereignis in Kenntnis zu setzen. Am Morgen der Eröffnungsfeier startete er Erinnerungsanrufe und fügte hinzu, etwas Dramatisches würde sich ereignen.
    Am meisten befriedigte ihn das sichere Wissen, diesmal endlich sein Bild in der Zeitung abgebildet zu sehen – er und Sikiokuu umringt von sie anhimmelnden Tänzerinnen.

15
    Die Tänzerinnen trafen als Erste ein. In den traditionellen Gewändern sahen sie einander zum Verwechseln ähnlich. Aber wenn es auch schwierig war, die eine von der anderen zu unterscheiden, als Gruppe boten sie dem Betrachter ein überwältigendes Bild. Kaniũrũ verschob die formelle Begrüßung auf den Augenblick, in dem die Medien anwesend waren. Den Frauen schien das nichts auszumachen. Sie ließen sich im Hof nieder und bereiteten sich auf ihren Auftritt vor. Die Gäste bestanden in der Mehrzahl aus denjenigen, die sich in Erwartung eines üppigen Geldregens durch Marching to Heaven Protektion erkaufen wollten.
    Sikiokuu hatte seine eigenen Regierungsfotografen mitgebracht, aber erst nachdem die Zeitungsreporter und Kameraleute eingetroffen waren, gingen Kaniũrũ und er hinaus in den Hof und nahmen ihre Plätze ein, bereit, von den Tänzerinnen, die sich jetzt zur Formation aufstellten, mit Lobpreisungen überschüttet zu werden. Gerade als sie beginnen wollten, erschien Vinjinia.
    Sie erschrak, als sie die Tänzerinnen in den traditionellen Kostümen sah, die sie dem Herrn der Krähen übergeben hatte. Sie hatte viel Geld dafür bezahlt, aber jetzt war sie froh zu sehen, wie beeindruckend diese Kleidung wirkte. Die Anweisungen aus dem Schrein befolgend, versuchte sie, keinerlei Interesse an ihnen zu zeigen, und ging auf kürzestem Weg zur ersten Reihe, in der die Ehrengäste Platz genommen hatten. „Ich möchte Minister Sikiokuu sprechen“, sagte sie laut.
    Alle Blicke, auch die der Tänzerinnen, wandten sich der Frau zu. Sikiokuu beugte sich zu Kaniũrũ und fragte, wer diese Frau sei. Eine Verrückte, antwortete Kaniũrũ, aber weil er kein Aufsehen vor der Presse haben wollte, versuchte er die Situation zu entspannen, indem er die Frau laut und freundlich fragte: „Mutter, was wünschst du?“ Vinjinia antwortete ebenso laut, sie wolle nur wissen, wo die Regierung die Leiche ihres Mannes Tajirika vergraben habe. Sikiokuu zeigte keine Reaktion. Er starrte geradeaus, als hätte er nicht die leiseste

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