Herr der Krähen
Todesfluch zu erlösen, mit dem er mich vergangene Nacht belegt hat. Deshalb haben Sie ihn doch zu mir geschickt? Seine Zauberkraft ist überwältigend. Ich wusste es von dem Augenblick an, da er meine Krankheit heilte. Aber damals wusste ich nicht, dass er die Geheimrezepte von Toten verwendet. Wenn Sie den Herrn der Krähen bitten, alle Todesflüche von mir zu nehmen, verspreche ich Ihnen, zu tun oder zu sagen, was immer Sie von mir verlangen. Retten Sie mich. Heben Sie das Todesurteil auf. Bitte.“
Sobald er sich vom Schock der Umklammerung erholt hatte, begann Sikiokuu, die Sache zu durchdenken. Tajirika glaubt also, ich arbeite mit dem Herrn der Krähen zusammen und hätte den Zauberer in seine Zelle geschickt, um ihn mit einem Todesfluch zu belegen? Wie ist er auf diesen Gedanken gekommen? Hier lag also ein Missverständnis vor, das er aber nicht aufklären wollte, weil es seinen Zwecken dienlich war. Der Herr der Krähen war zu einem geheimen Verbündeten geworden, der erreicht hatte, was der Folter nicht gelungen war: Tajirika zur Zusammenarbeit zu bewegen.
„Mr. Tajirika, würden Sie sich bitte wieder auf ihren Platz setzen und mir erzählen, was Sie bewegt?“
„Nein. Erst müssen Sie ihn bitten, den bösen Zauber von mir zu nehmen.“
„Was hat Ihnen der Herr der Krähen gesagt?“
„Es geht nicht darum, was er gesagt hat. Es war nicht schwer für mich herauszubekommen, dass Sie ihn mit dem Befehl in meine Zelle geschickt haben, mich zu töten. Ich habe an unser letztes Gespräch gedacht und wie es endete. Waren die drei Worte, über die ich nachdenken sollte, nicht dieselben wie die, deren Bedeutung der Herr der Krähen geweissagt hatte, als ich wegen meiner Krankheit bei ihm war? Sie haben unserer Unterhaltung noch etwas hinzugesetzt, indem sie ihn um Mitternacht in meine Zelle geschmuggelt haben. Warum mitten in der Nacht, wenn nicht mit dem Ziel, mir etwas anzutun? Mr. Sikiokuu, ich bin kein Idiot. Ich weiß genau, worauf Sie aus sind. Sie wollen, dass er mir die Wortkrankheit wieder einpflanzt. Gedanken ohne Worte sind wie Dampf ohne Ventil. Sie wollen, dass ich in meinen Gedanken ertrinke oder durch ihren Druck explodiere. Und wenn das beides nicht gelingt, wird er mir die Daumen abhacken. Der Herr der Krähen hat mir sogar etwas gestanden.“
„Gestanden? Was hat er gestanden?“
„Dass er den Schlangenwahn ausgelöst hat.“
„Das hat er Ihnen gesagt?“
„Nicht direkt. Aber letzte Nacht hat er mich daran erinnert, dass wir uns an dem Tag, an dem ich zu seinem Schrein fuhr, nicht das erste Mal begegnet sind. Vor einiger Zeit brachte ich am Haupteingang zu meinem Bürogebäude ein Schild ,Keine freien Stellen‘ an, um mir die vielen Arbeitslosen vom Leib zu halten. Und wenn jemand die Tafel ignorierte und in meinem Büro aufkreuzte, habe ich ihm gesagt, er solle wieder hinausgehen und lesen, was auf dem Schild steht: Keine freien Stellen. Der Herr der Krähen aber hat mich dazu gebracht, etwas zu tun, was ich davor nie getan habe. Er verführte mich, ihn zum Schild zu begleiten und bei ihm stehen zu bleiben, während er es las. Einen Tag später wurde ich krank, und dann begann das Schlangestehen genau an der Stelle, an der der Herr der Krähen gestanden hatte, als er das Schild las. Kann das alles Zufall sein?“, fragte Tajirika und rüttelte an Sikiokuus Beinen, als würde er die Antwort bei ihm suchen. „Welchen weiteren Beweis brauche ich noch, um zu erkennen, dass er der Ursprung des Schlangenwahns ist? Die Frage lautet vielmehr: Wer hat ihn in mein Büro geschickt? Und warum? Oder soll ich glauben, dass jemand mit einem gut gehenden und lukrativen Hexereiunternehmen einfach so in mein Büro spaziert und nach einem Job fragt, den er gar nicht braucht, wenn ihn nicht andere Motive antreiben? Er ist doch eindeutig geschickt worden, um mich, wie Satan einst Hiob, mit Leiden zu überziehen und in Versuchung zu bringen. Aber im Gegensatz zu Hiob hatte ich gegen seine Durchtriebenheit keine Chance. Ihm einen Job zu geben, hätte geheißen, ihm die Gelegenheit zu liefern, mein Unternehmen mit einem Fluch zu belegen. Mein Unternehmen wäre langsam zugrunde gegangen, und mein unternehmerisches Versagen hätte dazu geführt, mich nicht länger für fähig zu halten, weiterhin Vorsitzender von Marching to Heaven zu sein. Und wenn ich ihm den Job verweigerte – wie ich es getan habe –, dann würde er sich an mir rächen – wie er es getan hat. Zuerst, indem er mich krank machte,
Weitere Kostenlose Bücher