Herr der Krähen
und anschließend, indem er den Schlangenwahn auslöste. Es bleiben zwei Fragen: Als ich ihn in seinem Schrein traf, ließ er nicht im Mindesten erkennen, dass wir uns bereits einmal begegnet waren. Warum tat er es jetzt, nachdem Sie ihn in meine Zelle gesteckt haben? Mr. Minister, wenn Sie es nicht waren, der ihn geschickt hat, um den Schlangenwahn auszulösen, wer dann? Wer sonst könnte ein Motiv haben, mich zu zerstören und meinen Vorsitz von Marching to Heaven zu untergraben?“
„Mr. Tajirika, was Sie da sagen, klingt sehr interessant. Nur leider bringen Sie alles ein wenig durcheinander. Wenn Sie zum Beispiel glauben, ich hätte die Warteschlangen initiiert oder jemanden damit beauftragt, dann grenzt das an Fieberwahn. Betrachten wir also Ihre Geschichte mal mit dem Blick der Vernunft. Ich entnehme Ihrem Bericht, dass Sie glauben, jemand hätte den Herrn der Krähen geschickt, um den Schlangenwahn auszulösen. Oder, um es anders zu formulieren, Sie scheinen mir sagen zu wollen, jemand habe diese Schlangensache vorsätzlich ausgelöst. Bitte setzen Sie sich wieder hin, damit wir das in Ruhe klären können.“
„Das Wichtigste zuerst. Befehlen Sie ihm, den Todesfluch von mir zu nehmen.“
Während des Gesprächs hatte Sikiokuu immer wieder versucht, Tajirika von sich wegzuschieben, doch dieser klammerte sich jedes Mal nur umso fester an seine Beine. Jetzt versuchte er es erneut, jedoch vergeblich. Tajirika würde sich nicht setzen, solange er nicht irgendeine Zusicherung erhalten hatte. Sikiokuu entschloss sich zu einer kleinen Theatervorstellung. Er griff zum Telefonhörer, rief im Vorzimmer an, in dem die Polizisten warteten, und verlangte nach Kahiga. Als Kahiga hereinkam und die Szene sah, zog er sofort die Pistole, aber Sikiokuu signalisierte ihm, die Waffe wieder ins Halfter zu stecken. Falls Kahiga nach Lachen zumute war, zeigte er es nicht. Er blieb stehen und wartete auf weitere Anweisungen seines Chefs.
„Ich möchte, dass Sie zum Herrn der Krähen gehen und herausfinden, was er im Einzelnen zu Tajirika gesagt hat. Sagen Sie ihm, dass ich jetzt nicht mehr so wütend auf Tajirika bin, wie ich es war, als ich den Zauberer in die Zelle schickte, um ihn fertigzumachen. Deshalb befehle ich ihm jetzt, alle Flüche und bösen Zauber, mit denen er Tajirika belegt hat, von ihm zu nehmen. Sollte er das nicht unverzüglich tun, erschießen Sie den Bastard. Auf der Stelle. Ohne weitere Diskussion.“
Sikiokuu berührte seine Ohren und schüttelte sie sacht, um Kahiga zu signalisieren, dass alles nur eine Farce war.
Zurück im Vorzimmer fing Kahiga zu kichern an; dieser Tajirika war schon einer – erst die Sache mit dem Scheißekübel, und jetzt kniete er vor Sikiokuu und umklammerte seine Knie.
Tajirika ließ Sikiokuus Beine los und setzte sich.
„Danke, Sie mutiger Minister.“
„Nichts zu danken“, erwiderte Sikiokuu. „Kommen wir lieber zu unserer Geschichte zurück. Habe ich richtig gehört, dieser Hexenmeister kreuzte einmal bei Ihnen im Büro auf und tat so, als würde er Arbeit suchen?“
„Ja.“
„Und Nyawĩra war damals Ihre Sekretärin?“
„Ja.“
„Und ein paar Tage darauf brachte eben diese Nyawĩra Sie zum Schrein des Hexenmeisters?“
„Ja. Nyawĩra und meine Frau Vinjinia.“
„Nyawĩra und dieser Sohn einer Krähe, kannten die sich?“
„Nein. Nichts wies darauf hin, weder als er auf der Suche nach Arbeit zu mir kam, noch als ich wegen der Behandlung seinen Schrein besuchte.“
„Aber Sie können nicht mit Gewissheit ausschließen, dass sie sich kannten?“
„So ist es.“
„Und Sie haben auch hinterher nie gehört, dass Nyawĩra seinen Namen erwähnt hat?“
„So ist es.“
„Und Sie können mit absoluter Sicherheit sagen, dass es jemand anderes war, der den Hexenmeister zu Ihnen ins Büro geschickt hat, um nach Arbeit zu suchen? Und was diesen jemand betrifft, so bestand sein eigentliches Interesse darin, den Schlangenwahn auszulösen?“
„Ja, so kommt es mir vor, wenn ich die Teile zusammensetze.“
Sikiokuu zögerte, als dächte er über das nach, was Tajirika gesagt hatte. Er spürte eine hämische Freude, wollte sie aber nicht zeigen. Sikiokuu hatte Tajirika genau dort, wo er ihn haben wollte: ein Bettler auf der Suche nach Gnade und Vergebung. Es gab allerdings noch einige Punkte, die miteinander verbunden werden mussten. Worin bestand die Verbindung – wenn es denn eine gab – zwischen Nyawĩra und dem Herrn der Krähen? Warum sollte der
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