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Herr der Krähen

Herr der Krähen

Titel: Herr der Krähen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong
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gestehen, dass ich diese Zeilen bereits gelesen habe, bevor ich zu Ihnen kam, da ich herausfinden wollte, ob sie irgendwelche versteckten Botschaften enthalten. Ich konnte jedoch nicht erkennen, was der Herr der Krähen sagen wollte, und deshalb habe ich Ihnen die Nachricht gebracht.“
    „Lies sie noch einmal und sag mir, was dir an der Bedeutung dieser Worte nicht klar ist.“
    Machokali tat so, als läse er den Zettel noch einmal stumm durch, aber in Wahrheit kannte er jedes Wort auswendig.
    „Ich habe dich nicht gebeten, dass du ihn stumm für dich liest“, sprach der Herrscher. „Lies ihn laut und mit fester Stimme wie ein Mann. Und ersetze ‚das Land‘ durch ‚der Herrscher‘, denn das Land bin ich.“
    Machokali räusperte sich. Er begann die Nachricht vorzulesen. „Ich habe keinen Passierschein. Passen Sie auf sich auf. Der Herrscher ist …“ Machokali stoppte abrupt wie jemand, der am Rand einer Klippe steht.
    „Weiter. Lies es“, forderte der Herrscher ihn ungeduldig auf. „Lies zu Ende und sag mir, was daran unklar ist.“
    „Der Herrscher ist schwanger. Und niemand weiß, was er zur Welt bringen wird.“
    „Was ist daran unklar? Sag’s mir!“, sprach Seine Allmächtige Vortrefflichkeit mit steigendem Zorn.
    „Oh, nein“, sagte Machokali, als ihm die volle Bedeutung und die Folgen der Worte aufgegangen waren. „Ich schwöre, dass, wenn … dieser Mann …“
    „Machokali“, unterbrach ihn der Herrscher erneut, als interessierte ihn nicht, was Machokali schwören wollte. Machokali entdeckte eine winzige Veränderung in der Stimme des Herrschers, und der Mut verließ ihn. Die Stimme klang gebrochen, eher tränenerfüllt als eisig. „Du bist doch ein hochgebildeter Mann – oder etwa nicht, Markus?“
    „Jawohl, Eure Heilige und Allmächtige Vortrefflichkeit.“
    „Du kennst dich in der Weltgeschichte aus.“
    „Ich würde das nicht behaupten, aber, ja, ich würde schon sagen, dass ich nicht völlig ungebildet bin.“
    „In allen Büchern, die du gelesen hast, bist du da jemals auf den Fall eines schwangeren Herrschers gestoßen?“
    „Ein schwangerer Herrscher? Nein! Außer, es war eine Frau … Nein, ganz bestimmt nicht.“
    Der Herrscher begann zu lachen, und Machokali überlegte, ob er einstimmen sollte, um zu zeigen, dass er den Witz verstanden hatte, woraus auch immer er bestand. Manchmal ist Schweigen Gold, aber dieser Moment gehörte nicht dazu, denn Machokali ergriff die Gelegenheit, sich beim Herrscher einzuschmeicheln und das Lachen zu verlängern, indem er kühn sagte:
    „Glückwunsch! Sie schreiben Geschichte. Gut, dass ich den Herrn der Krähen nach Amerika kommen ließ. Ich habe ihn sogar persönlich vom Flughafen abgeholt. Ich schlage vor, eine Pressekonferenz einzuberufen und der Welt die gute Nachricht zu verkünden.“
    Das darauffolgende Schweigen dämpfte seinen Enthusiasmus und ließ Machokali augenblicklich erkennen, dass er gerade einen groben Schnitzer gemacht hatte. Während er sich Schritt für Schritt zurückzog, suchte er nach Worten, mit denen er sich aus der Schlinge ziehen konnte.
    „Du? Du! Auch du?“, sprach der Herrscher und drohte ihm, blind vor Wut, mit dem Finger. „Du hast also mit diesem Zauberer unter einer Decke gesteckt? Du hast es gewagt, mich zu beleidigen, mitten ins Gesicht, nur weil ich gerade behindert bin? Du beschimpfst mich als Frau?“
    Er versuchte aufzustehen, um über Machokali herzufallen, aber es gelang ihm nicht. Er versuchte, nach seiner Zeremonienkeule zu greifen, um sie nach Machokalis großen Augen zu werfen, konnte sie aber nicht erreichen. Als er sah, dass die Keule außerhalb der Reichweite des Herrschers war, blieb Machokali stehen, behielt sie aber im Auge. Sich gegen einen Schlag zu schützen, war Vorsicht, nicht Feigheit. Er beschloss, das mit Worten zu tun.
    „Ich habe Ihnen einzig und allein zu der Geschwindigkeit gratuliert, mit der Sie die Haarspaltereien dieses Kerls durchschaut haben, der sich Herr der Krähen nennt. Ich sagte, dass es eine gute Tat war, ihn nach Amerika zu holen, denn wäre er nicht gekommen und hätten Sie ihn nicht durchschaut, hätte er vielleicht bis ins hohe Alter gelebt und Millionen mit seinen verleumderischen Lügen über Ihre Schwangerschaft betrogen.“
    „Es macht dir wohl Spaß, das immer wieder zu sagen, du stinkende Fotze von einem Mann. Du Stück Scheiße. Du armseliger Wicht. Aus meinen Augen“, sprach der Herrscher und winkte ihn hinaus. Noch bevor der Herrscher

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